Ein Kommentar von Thomas Andre

Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut, mit den Persönlichkeitsrechten verhält es sich nicht anders. Das Verbot von Maxim Billers Roman "Esra" im Jahr 2003 ist in der jüngeren Vergangenheit der bekannteste Fall. Er erregte Aufsehen und wurde nahezu einhellig verurteilt: Man sah die Kunstfreiheit in Gefahr. Zu Recht, literarische Bearbeitungen von realen Vorbildern sind im künstlerischen Schaffensprozess an der Tagesordnung. Die reizendsten Charaktere sind oft der Wirklichkeit abgeschaut. Gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Kunstfreiheit gewährleistet, kann man allerdings das allgemeine Persönlichkeitsrecht ins Feld führen. Es ist schlicht die Menschenwürde, um die es im Falle des Falles geht. Die Kunstfreiheit kennt Grenzen.

Klaus Manns "Mephisto", gegen das die Erben Gustaf Gründgens' klagten, durfte Jahrzehnte später wieder verkauft werden. So lange war Tina Uebels Roman "Last Exit Volksdorf" nicht aus den Regalen verschwunden. Die Hamburger Autorin hat Teile ihres Buchs umgeschrieben, und dem Vernehmen nach hat es Uebels Verlag auch nicht auf eine Gerichtsverhandlung ankommen lassen. Das kann also eine Lösung sein: Wie Kunstfreiheit gelebt wird, hat immer auch mit denen zu tun, die sie in Anspruch nehmen. Je höher der Grad der Fiktionalisierung, desto plausibler wird das hohe Gut der Kunstfreiheit.