Ein Kommentar von Matthias Gretzschel

Wahrscheinlich ist es ein Segen, dass die deutsche Kolonialzeit fast 100 Jahre zurückliegt und nur noch rudimentär in Erinnerung ist. Diesem historischen Umstand mag es geschuldet sein, dass das kulturelle Auslandsengagement der Bundesrepublik vor allem in den Ländern der Dritten Welt kaum dem Verdacht ausgesetzt ist, es könne sich dabei in Wahrheit um neokolonialistische Strategien handeln. Nein, das Goethe-Institut, das heute in mehr als 90 Ländern vertreten ist, erfreut sich im 60. Jahr seines Bestehens eines bemerkenswert guten Rufes.

Das liegt einerseits daran, dass die weltweit 149 Niederlassungen mit ihren zurzeit besonders stark nachgefragten Deutschkursen ein Ausbildungsangebot offerieren, von dem sich viele Menschen nicht nur Zugang zu unserer Kultur, sondern auch berufliche oder persönliche Vorteile erhoffen. Mindestens ebenso wichtig ist jedoch, dass das Institut eben keine platte Deutschland-Werbung betreibt, sondern ein vielschichtiges Bild unserer Gesellschaft mit ihren Leistungen und Widersprüchen zeichnet. Vor allem deshalb bietet das verstärkte Engagement in der arabischen Konfliktregion große Chancen: Mit Lesungen und Begegnungen werden den Künstlern dieser Länder in Goethes Namen wichtige Freiräume eröffnet, zugleich aber zeigt das Institut mit Beispielen aus dem deutschen Alltag, wie Kultur dazu beitragen kann, gesellschaftliche Konflikte demokratisch auszutragen.