Robert-Koch-Institut sieht EHEC-Risiko auch bei rohen Gurken und Tomaten. Gestern zwei neue Todesfälle gemeldet

Hamburg. Die Warnung des staatlichen Robert-Koch-Instituts (RKI) erging gestern Abend um 19.03 Uhr: Essen Sie keine Blattsalate und keine rohen Tomaten oder Salatgurken aus Norddeutschland! Erstmals seit Beginn der EHEC-Infektionswelle sind die Forscher offenbar dem gefährlichen Darmbakterium auf die Spur gekommen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Die Zahl der Erkrankungen ist gestern weiter rasant angestiegen, in Norddeutschland wurden zwei neue Todesfälle gemeldet.

Eine in Hamburg erstellte Studie habe gezeigt, dass EHEC-Erkrankte Blattsalate, Tomaten und Gurken deutlich häufiger verzehrt hätten als gesunde Vergleichspersonen, sagte RKI-Chef Reinhard Burger in Berlin. Es stehe aber noch nicht fest, ob nur eines oder mehrere dieser drei Lebensmittel mit der Erkrankungswelle zusammenhängen. Ganz auszuschließen als Infektionsquelle seien auch andere Gemüsesorten noch nicht. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium kündigte an, jetzt "um Hamburg herum Proben von Gemüsebetrieben nehmen" zu lassen. Zuvor hatte schon die ärztliche Leiterin des Großlabors Medilys der Asklepios-Kliniken in Hamburg, Susanne Huggett, Salat als mögliche Quelle für den Erreger genannt. "Im Moment sieht es so aus, als wenn Salatbars, also vorbereitete Salatteile, eine Rolle spielen", sagte sie in der ARD.

Derzeit erlebe Deutschland den stärksten je registrierten EHEC-Ausbruch, sagte RKI-Chef Burger. Es gebe so viele Erkrankte pro Woche wie sonst in einem Jahr. Das Bakterium sei hochinfektiös, schon 10 bis 100 Keime genügten für eine Ansteckung. Zwei Drittel der Kranken seien Frauen. Ursache für die Verschmutzung des Gemüses könnten Fäkalien von Mensch oder Tier sein. In Fleisch, Milch und Käse seien bislang keine Erreger gefunden worden.

In Hamburg und Norddeutschland hat sich die Lage zugespitzt. Eine 41 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Cuxhaven und eine 89-Jährige aus Ostholstein verloren den Kampf gegen den Erreger. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf vier. Prof. Rolf Stahl, Chefarzt am UKE, geht auch in Hamburg von baldigen Todesfällen aus. "Wir müssen damit rechnen, dass wir Patienten verlieren werden", sagte er. Derzeit würden 33 Erwachsene und 14 Kinder im UKE stationär behandelt, die am Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) leiden, das durch den Erreger verursacht wird. Von den 14 Kindern seien drei "kritisch krank", hieß es. Die Zahl der Infizierten in Hamburg stieg auf 200. Das UKE und die anderen Kliniken errichten Notfallstationen. Die Verbraucher sind zunehmend verunsichert. Die Gemüsebauern konnten auf Hamburgs Großmarkt nur noch die Hälfte der üblichen Menge verkaufen. Auf dem Altonaer Wochenmarkt gab es Umsatzrückgänge von bis zu 75 Prozent.