Eine Fensehkritik von Tom R. Schulz

Ausgerechnet eine gefallene Bischöfin kitzelte am Freitagabend im Religionsskeptiker die höchst selten angewendete christliche Kulturtechnik des Stoßgebets hervor. Es ging so: Oh Gott, halte Margot Käßmann in dieser Rolle künftig vom TV-Studio fern! Als Moderationsnovizin bei der Talkshow "3 nach 9" gab sie der Frage Nahrung, durch welche protestantischen Untiefen einst die Zuhörer ihrer Predigten wohl waten mussten. Das Thema der afrikanischen Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, die von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex) mit allen widerlichen Mitteln von europäischen Ufern ferngehalten werden, fand Frau Käßmann augenscheinlich hauptsächlich deshalb spannend, weil sie den davon handelnden Radio-Bremen-Tatort "Der illegale Tod" schon vor der TV-Ausstrahlung am Sonntag sehen durfte. Christliche Nächstenliebe war jedenfalls weit weg bei der angestrengt um Lässigkeitsgesten bemühten und an ihren Gegenübern herzlich desinteressiert wirkenden Gottesfrau. Die gescheite, engagierte "Tatort"-Schauspielerin Sabine Postel düpierte sie mit der Frage, wie es denn so sei, eine alternde Kommissarin zu spielen, so ohne Dekolleté zu zeigen. Sieh an, die Hirtin als Chauvie. Und dass Lotto King Karl, als Verfasser hermetischer Lyrik bislang unauffällig, die Käßmann mit seinem Text zu "Was ist eigentlich mit Frank" bereits an ihre Exegesegrenzen führte, lässt am Pfingstwunder zweifeln.