Die niederdeutsche Sprache soll bald zum Unterricht gehören, die Behörde sucht Lehrkräfte. Denn: “Platt is nich bloots wat för Oma un Opa!“
Hamburg. Vom kommenden Unterrichtsjahr an sollen in Hamburg erheblich mehr Kinder Plattdeutsch lernen als bisher. Mit einem neuen Rahmenplan für die Klassen eins bis vier schafft die Schulbehörde die Basis für einen starken Akzent auf die niederdeutsche Sprache. Voraussetzungen sind deutlich mehr Plattdeutsch-Lehrer und geeignete Unterrichtsmaterialien. Zu diesem Zweck konstituiert sich am Donnerstag im Notariat des früheren Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau der gemeinnützige Verein "Plattolio". Auf private Initiative soll Kindern und Lehrern ein breites Angebot zum Lesen, Hören, Basteln und Malen angeboten werden. Op Platt, na klar. Weitere namhafte Hamburger stehen Pate.
Henning Voscherau ist mit der niederdeutschen Sprache groß geworden. Sein Vater, Schauspieler Carl Voscherau, und sein Onkel, Ohnsorg-Star Walter Scherau (eigentlich Walter Voscherau), sprachen Platt.
"Plattdeutsch hält nun so richtig Einzug in Hamburgs Schulen", sagt Initiatorin Christianne Nölting. "Unsere Stadt ist Vorreiter für Norddeutschland." Nach den Sommerferien geht's los. Neben den bisher zehn Pilotschulen speziell in den Randbezirken sollen Grundschulen im gesamten Stadtgebiet die Muttersprache unserer Vorfahren lernen können. Zwar ist der neue Rahmenplan, der die bisherige Planung für die Primarstufe mit sechs Klassenstufen ersetzt, noch nicht endgültig verabschiedet, dennoch besteht Einigkeit. Mehr denn je in den letzten Jahrzehnten soll Plattdüütsch gefördert werden.
"Niederdeutsch wird integrativer Bestandteil der Hamburger Bildungsplanung", bestätigt Heinz Grasmück, Referatsleiter für Deutsch und Geschichte im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. "Hamburgs Kinder sollen mehr lernen als niederdeutsche Gedichte und Lieder", sagt Grasmück. "Es wird viel intensiver als eine Begegnung sein - die Sprache soll im wahrsten Sinn des Wortes erworben werden." Grundlage ist die "Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen", die in Deutschland seit 1999 in Kraft ist. Darin verpflichtet sich die Bundesregierung, neben Friesisch, Sorbisch und Romanes auch Niederdeutsch zu fördern.
Ohne Lehrkräfte geiht dat nich. Derzeit unterrichten in Hamburg rund zehn Lehrer Plattdeutsch. Binnen zwei Jahren soll sich die Zahl verdoppeln oder gar verdreifachen. "Wer Niederdeutsch lehren kann, steigert seine Chancen", gibt Heinz Grasmück als Parole der Schulbehörde aus. "Wer Plattdeutsch unterrichten kann, wird bevorzugt eingestellt."
Um den Zielen Flügel zu verleihen, wird das Portal www.plattolio.de gestartet. Mit viel Herzblut, Kreativität und in Zusammenarbeit mit der Abteilung Niederdeutsch der Universität Hamburg, dem Institut für Niederdeutsche Sprache in Bremen, dem Töpfer-Institut sowie dem Plattdüütsch-Root Hamborg wurde eine sehens- und erlebenswerte Plattform geschaffen.
"Kinder brauchen heute nicht unbedingt gedruckte Bücher", meint die Hörfunkjournalistin Christianne Nölting, die sich wie viele andere ehrenamtlich engagiert. Ähnlich sieht es der Pädagoge und frühere CDU-Fraktionschef Bernd Reinert, der neben dem ehemaligen Wirtschaftssenator Helmuth Kern und Schirmherr Henning Voscherau zu den Plattolio-Paten zählt: "Du muttst de Kinner dor wat anbeden, wo se sünd, un dat is mennichmaal an'n Computer." Sprich: Das Internet ist der angesagte Weg, um Plattdeutsch wiederzubeleben. "Platt is nich bloots wat för Oma un Opa", ergänzt der Vier- und Marschländer Reinert, "dat is jüst so för junge Lüüd, und dor sett Plattolio an."
Das kostenlose Angebot orientiert sich am neuen Lehrplan Niederdeutsch für Hamburgs Schulen, ist nach Klassen sortiert und so durchdacht, dass die einzelnen Lehrseiten problemlos an die Wand des Klassenraums projiziert werden können.