Auch der Barockkomponist Georg Philipp Telemann schrieb in Hamburg Musikgeschichte. Jetzt kommt seine weltweit erste Gedenkstätte.

Hamburg. Der kleine Spaß mit seinem Namen auf dem Klingelschild, der hätte ihm bestimmt gefallen. Und trotz seines vollen Terminkalenders als Komponist, Musikdirektor für fünf Hamburger Hauptkirchen, als Gänsemarkt-Opern-Chef, Konzertveranstalter und Selbstverleger hätte er auch für diese Klingel noch eine passende Melodie aus dem Ärmel geschüttelt. Denn Georg Philipp Telemann (1681-1767) hat in seinen 46 Hamburger Dienstjahren (begraben ist er, was kaum jemand weiß, dort, wo jetzt das Rathaus steht) so ziemlich alles vertont, was ihm vor den Gänsekiel kam, von Opern-Libretti bis zum Alster-Echo und konzertierenden Fröschen. Er hat scheinbar mühelos mehr geschrieben als Händel und Bach zusammen, war zu Lebzeiten bekannter als der Thomaskantor - und ist dennoch nicht annähernd so bekannt wie einer der beiden.

Doch Telemann war zeitlebens ein ganz Großer. Ein 38-Quadratmeter-Museum für 46 Hamburger Dienstjahre, die erste Gedenkstätte weltweit, ist also vor allem ein symbolischer Akt, eine klitzekleine Wiedergutmachung. Im November hat die Telemann-Gesellschaft mit dem Umbau einer Privatwohnung in der Peterstraße 39 begonnen, direkt neben dem Brahms-Museum. Hier wie dort spendierte die Carl-Toepfer-Stiftung die Räume in der Straße mit dem historischen Ambiente.

Rund 40.000 Euro, jede Menge Freizeit und Nerven hat die örtlichen Telemänner und -frauen (insgesamt 78) dieser Spaß gekostet, drei Viertel des Geldes kamen von Sponsoren - und nichts aus der Kulturbehörde. Das zumindest hat Tradition in Hamburg.

Also wurde liebevoll geleistet und zusammengetragen, was ging: Die meisten Ausstellungsstücke in dem einen Flur und dem einen Zimmer sind Repliken, die "Hörstation", um sich einen Eindruck vom Genius zu verschaffen, ist dann doch nur ein niedlicher kleiner Gettoblaster, fürs Multimediale ist ein Monitor an der Wand zuständig, auf dem Informationstexte laufen sollen. Das Porträt des Komponisten auf der Infogardine vor den Fenstern ist allerdings beim Vergrößern arg grobpixelig geraten. Auf Schautafeln an der Wand wird über Leben und Werk Telemanns informiert. Kompakt und gut, aber nur in Deutsch. Pech also für die Brahms-Interessierten aus aller Welt, die garantiert mit wenigen Schritten aus der Spätromantik ins deutsche Barock hereinspaziert kommen. Am Eingang, neben dem Archivchen, kann man Postkarten kaufen, CDs, etwas Literatur und sogar eine Souvenirtasse.

Alles wirklich sehr rührend, alles so professionell, wie es gerade noch geht mit den sehr bescheidenen Bordmitteln. Dass Leipzig sein Bach-Museum für sieben Millionen Euro sanierte, ist eine Nachricht aus einer ganz anderen Welt. Hier ist man schon froh, Nachbildungen von Kerzenleuchtern zeigen zu können. Der gute Wille zählt.

Ende des Monats soll ein Hitchcock-Spinett Baujahr 1730 aus der Sammlung Beuermann in die Mitte des Raumes platziert werden. Eine Schenkung unter alten Freunden. Doch es gibt tatsächlich auch Originale aus Papier, ein Textbuch des Oratoriums zur Einweihung der neuen St.-Michaelis-Kirche von 1762 und ein "Allgemein Evangelisch-Musicalisches Liederbuch" anno 1730. Und mittendrin sogar ein Brief von Hans Werner Henze, der vor einigen Jahren einige warme Worte für Telemanns Schaffen zu Papier brachte. Sammlerstücke, Liebhaberstücke. Einzelstücke. Was hier aber niemanden daran hindert, ehrgeizige kleine Pläne zu haben. Einmal jährlich eine Wechselausstellung auf besagten 38 Quadratmetern, auch eine Zusammenarbeit mit der Staatsoper soll es geben, die in der nächsten Spielzeit nach hartnäckigem Übersehen tatsächlich mit "Flavius Bertaridus" ein Telemann-Opus bringt.

Während an diesem Wochenende in der Peterstraße die Eröffnung gefeiert wird (ein sinniges Begrüßungsgeschenk wären Blumenzwiebeln, die sammelte der Hobby-Gärtner Telemann), bekommt auch der Nachbar Brahms eine kleine Portion lokaler Ehrung nachgeliefert: Die Kollegen der Brahms-Gesellschaft bringen am 7. Mai, 15 Uhr, pünktlich zum Geburtstag in Blankenese, Brandts Weg 3, eine Gedenktafel an, an jenem Haus, in dem er 1863 seine "Rinaldo"-Kantate schrieb.

Mit Brahms- und Telemann-Gedenkstätten in einer Straße - zwischen Hamburgmuseum und Michel ideal gelegen - wäre der Grundstein für eine weltweit einzigartige "Komponistenmeile" da. Platz für Mahler wäre noch denkbar und auch für Mendelssohn, der direkt um die Ecke geboren wurde. Doch all das ist nur Zukunftsmusik, denn trotz des Telemann-Klingelstreichs hört in Hamburg bei der Würdigung der musikalischen Vergangenheit der Spaß sehr schnell wieder auf.

Telemann-Museum Peterstraße 39, geöffnet Di, Do, Sa, 10-17 Uhr, Eintritt 3,-/2,- Euro. Weitere Informationen: www.telemann-hamburg.de