Gericht geht von mehr als vier Jahren Haft aus und verweist den Fall an die höhere Instanz

St. Georg. Er soll eine Patientin mit einem Betäubungsmittel außer Gefecht gesetzt, sich dann am Krankenbett an ihr vergangen haben - jetzt hat das Amtsgericht St. Georg den Prozess um einen 36 Jahre alten Krankenpfleger ans Landgericht verwiesen statt ein Urteil zu verkünden. Grund: Die Kammer hält eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren für wahrscheinlich. "Unsere Straferwartung liegt bei vier Jahren und drei Monaten", sagte der Richter.

Die Vorwürfe gegen Stefan B. sind ungeheuerlich, der Sachverhalt, so wie ihn Staatsanwaltschaft und das Opfer schildern, klingt verstörend und widerwärtig: Im Januar 2008 lag Manuela D., 47, mit einem schweren Darminfekt im Marienkrankenhaus. Eines Abends soll der Krankenpfleger der Frau über den Tropf ein valiumähnliches Medikament injiziert, dann die Brüste der Wehrlosen mit einer nach Eukalyptus riechenden Salbe eingerieben, ihre Hand auf sein Glied gelegt und sie sexuell genötigt haben, während er in ihr Ohr stöhnte: "Du bist so geil."

Bis zum letzten Verhandlungstag sah es gar nicht schlecht aus für Stefan B., der von Kachelmann-Anwalt Johann Schwenn vertreten wird. Der 36-jährige Angeklagte schwieg, und die Erinnerungen von Manuela D. waren so diffus, dass Schwenn von Autosuggestion sprach. Dann aber wiesen zwei Gutachter geringe, aber zweifellos von Stefan B. stammende Spermaspuren auf dem Pyjama des Opfers nach. Damit war für die Verteidigung viel verloren, die Kammer von der Schuld des Krankenpflegers überzeugt.

Zwar ist Stefan B. nicht vorbestraft, und der Fall liegt drei Jahre zurück - das allein reiche für die Anwendung eines milderen Strafrahmens jedoch nicht aus, so das Gericht. Deutlich stärker fielen die strafschärfenden Aspekte ins Gewicht: So sei der Vorfall ein Grund für das Scheitern der Ehe von Manuela D. gewesen und habe dem Ruf des Marienkrankenhauses geschadet. Nicht zuletzt das Leid von Manuela D., die seit drei Jahren mit der quälenden Ungewissheit leben müsse: War die Episode ein Albtraum - oder Wirklichkeit?

Das Gericht sei von der Schuld des Angeklagten überzeugt, ohne sich die Schlussvorträge anzuhören, das sei "ungewöhnlich", kritisierte Schwenn den Beschluss. Zumindest der Anklagevertreter hätte sich in seinem Antrag mit einer Freiheitsstrafe von weniger als vier Jahren zufrieden gegeben.