Der Student Rene L. muss wegen BAFöG-Betrugs 500 Euro bezahlen, ersatzweise drohen vier Tage Ordnungshaft.

Hamburg. Dieser lange, krause Bart, der ihm bis weit auf die Brust wuchert. Das lange schwarze Haar, die verschlossene Miene, die Unnahbarkeit ausdrückt. Rene L. scheint es zu genießen, sich zu distanzieren, anders auszusehen. Vielleicht würde der 26-Jährige diese optische Abgrenzung mit religiösen Motiven begründen wollen. Sein extrem ungewöhnliches Verhalten vor Gericht jedenfalls, sagt der gebürtige Syrer, habe "religiöse Gründe".

"Mein Glaube verbietet es mir", kündigt der 26-Jährige gleich zu Beginn des Prozesses an, "dass ich nachher bei der Urteilsverkündung aufstehe." Der Angeklagte sagt es höflich und gleichwohl unerschütterlich. Und signalisiert damit: Den Traditionen unserer Rechtsordnung, den Gepflogenheiten Deutschlands, wo er aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, wo er studiert hat, möchte er sich nicht beugen - im wahrsten Sinne des Wortes. Mit allen Konsequenzen. Denn wenn es hart auf hart kommt, könnte Rene L. dafür sogar ins Gefängnis wandern.

Dabei könnte der junge Mann ansonsten einsichtiger kaum sein. Den Vorwurf des Betruges und versuchten Betruges, der ihn als Angeklagten vor das Amtsgericht gebracht hat, räumt der 26-Jährige unumwunden ein. Laut Staatsanwaltschaft hat der Student BAföG beantragt, obwohl er aus einem Arbeitsverhältnis mehr als 7000 Euro pro Jahr zu erwarten hatte. 414 Euro monatlich bekam er damals laut Anklage aufgrund seiner falschen Angaben bewilligt. Dabei hätte ihm eigentlich keinerlei Förderung zugestanden. Insgesamt kassierte er mehr als 6000 Euro zu Unrecht. Bei einem weiteren Antrag wurde der Betrug rechtzeitig bemerkt, BAföG nicht ausgezahlt.

"Ja, ich habe das gemacht, aber nicht absichtlich", verteidigt sich der Angeklagte. "Ich dachte, dass ich weniger verdienen würde. Betrug oder Ähnliches", verkündet er mit energischer Stimme, "ist mit meinem Glauben nicht vereinbar." Die letzten Worte klingen wie ein Mantra. Doch dann führt der Angeklagte, der bereits wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft ist, irdischere Gründe für sein Fehlverhalten an: die Sorge um die Gesundheit seiner Eltern und Geldnot. Sein Vater sei schwer an Krebs erkrankt, und seine Mutter habe seinerzeit operiert werden müssen. "Es war eine Zeit, in der ich nicht wirklich nachdenken konnte." Mittlerweile habe sein Vater eine Chemotherapie bekommen. "Er ist auf dem Weg der Besserung."

Und auch seine finanzielle Situation habe sich positiv entwickelt, erzählt Rene L. Sein Wirtschaftsstudium habe er noch nicht beendet, sei aber jetzt in Vollzeit in einem kleinen Betrieb angestellt, mit bescheidenem Verdienst. Davon stottere er jeden Monat 50 Euro ab, um seine Schulden für das zu Unrecht erhaltene BAföG zu begleichen.

Bis die fehlenden 6000 Euro bezahlt sind, rechnet der Staatsanwalt vor, dauere es etwa zehn Jahre. "Die Wiedergutmachung gestaltet sich äußerst zäh." Für Rene L. spreche, dass er die Tat sofort eingeräumt habe, gegen ihn, dass er wegen seiner Vorstrafe unter Bewährung stand, als er den Betrug beging. Die Tat gehe zudem "zum Nachteil anderer, die auch finanzielle Unterstützung haben wollen", betont der Ankläger und beantragt eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu sieben Euro.

Dieses Strafmaß halten auch Verteidigung und Gericht für angemessen, und so verhängt der Amtsrichter 1050 Euro Geldstrafe. Das Urteil wird sofort rechtskräftig, und es hätte ein harmonischer Abschluss des Prozesses werden können.

Wenn Rene L. sich nicht geweigert hätte, sich bei der Verkündung, wie es üblich ist, zu erheben. "Jetzt ist der Zeitpunkt, wo Sie Ihr Gewissen befragen müssen", fordert der Amtsrichter den Angeklagten noch auf, bevor er zum Urteilsspruch ansetzt. Wenn er sich weiter den Gepflogenheiten verwehre, kündigt der Amtsrichter dem 26-Jährigen an, stelle dies eine Missachtung der Aufgaben des Gerichts dar und sei damit "ungebührliches Verhalten". Dafür droht laut Gerichtsverfassungsgesetz Ordnungsgeld, womöglich sogar Ordnungshaft. Er nehme das auf sich, entgegnet Rene L. gelassen. "Das ist meinem Glauben geschuldet." Doch diese religiösen Gründe, erklärt der Richter, könnten ihn nicht davor bewahren, "dass das Ungebühr darstellt. Das habe ich so noch nicht erlebt", wundert er sich. Seine Entscheidung: Rene L. muss 500 Euro bezahlen, ersatzweise drohen vier Tage Ordnungshaft. Der Angeklagte nimmt dies schweigend entgegen und verlässt hoch erhobenen Hauptes den Gerichtssaal.