Martin Rücker, 30, ist Sprecher der Verbraucher- Organisation Foodwatch

Hamburger Abendblatt:

1. Warum versuchen die Lebensmittelhersteller, Verbraucher mit Mogelpackungen - weniger Inhalt zum selben Preis - für dumm zu verkaufen?

Martin Rücker:

Die Lebensmittelhersteller sind Wirtschaftsunternehmen und wollen mit ihren Produkten natürlich einen möglichst hohen Profit erzielen. Das kann man ihnen grundsätzlich auch nicht vorwerfen. Ärgerlich für die Verbraucher wird es jedoch vor allem dann, wenn Preiserhöhungen etwa durch neue Verpackungsdesigns verschleiert oder mit angeblichen Produktverbesserungen begründet werden, die in Wahrheit für den Kunden aber nachteilig sind. Da wird der Kunde dann in die Irre geführt.

2. Setzt die Industrie so nicht ihre Glaubwürdigkeit bei den Verbrauchern aufs Spiel?

Rücker:

Die Glaubwürdigkeit der Nahrungsmittelproduzenten ist ohnehin schon im Keller. Eine Allensbach-Umfrage aus dem vergangenen Jahr ergab, dass nur noch neun Prozent der deutschen Verbraucher den Aussagen der Industrie vertrauen.

3. Sollte es wieder feste Verpackungsgrößen geben, damit die Preise besser vergleichbar sind?

Rücker:

Zumindest sollten die Grundpreise, die die Einzelhändler am Regal ausweisen müssen, so gestaltet sein, dass sie für jeden lesbar sind. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel ältere Menschen mit der Lupe in den Supermarkt gehen müssen, um diese Informationen überhaupt entziffern zu können. Außerdem sollten alle Grundpreise einheitlich ausgewiesen werden und nicht mal pro Kilogramm und mal pro 100 Gramm, damit die Vergleichbarkeit wirklich gegeben ist.

4. Wo fehlt es an Kennzeichnungen im Lebensmittelbereich?

Rücker:

Es fehlt an Informationen, mit denen sich die Verbraucher ein Urteil über die Qualität der Produkte bilden können. So sollte es verständliche Herkunftsangaben und Informationen über den Einsatz von gentechnisch verändertem Tierfutter geben.

5. Sind die Mogelpackungen Teil einer größeren Täuschungsstrategie der Industrie?

Rücker:

Jeder kann Aufmachung und Preis vergleichen, für eine Beurteilung der Produktqualität fehlt es jedoch meist an Informationen. So können Hersteller frische Zutaten durch billigere Aromastoffe ersetzen, um Kosten zu sparen. Und wenn ein Hersteller seine Süßigkeiten erfolgreich als etwas Gesundes vermarktet, ziehen andere nach. Auf diese Weise wird Irreführung systemimmanent - zum Beispiel wird aus Ferreros Milchschnitte, die mehr Zucker und Fett enthält als manche Schoko-Sahnetorte, ein sportlich-leichter Snack für zwischendurch.