Die Angst ist immer da, dass der Arbeitgeber einen auf die schwarze Liste setzt, schikaniert, herausekeln will. Wer den Mund aufmacht, verbaut sich unter Umständen mehr als nur die nächste Karrierestufe. Auch deswegen wollen die wenigsten öffentlich aufbegehren. Thorsten Götschel möchte uns seinen richtigen Namen nicht sagen. Er arbeitet in einem Hamburger Callcenter. Seit acht Jahren, 40 Stunden die Woche. Der 38-Jährige fand, wie er selbst sagt, auf beinahe klassische Weise seinen Weg in die Welt des ewigen Telefonierens: Er brach sein Studium ab. Irgendwann überwogen finanzielle Erwägungen, das Callcenter ersetzte immer mehr den Seminarraum. Aus dem Neben- wurde ein Hauptjob, aber eines blieb gleich: Er verdiente miserabel. Am Anfang 7,50 Euro die Stunde. Jetzt, nach vielen Jahren, sind es elf, immerhin. "Damit gehöre ich zu den Besserverdienenden bei uns", sagt Götschel. Ein "Besserverdienender", der 1250 Euro netto im Monat nach Hause bringt und froh ist, dass seine beiden kleinen Kinder noch nicht so große Ansprüche haben. Dass er die Streitereien mit der Lebensgefährtin wegen des Geldes "in einem erträglichen Maß" halten kann, wie er sagt. Götschel kümmert sich um seine Familie, aber er ist ein Pater familias sozialstaatlicher Prägung. Er geht zum Amt, um neben dem Kindergeld auch andere Ansprüche geltend zu machen. Und so bekommt er auch noch etwa 500 Euro an Grundsicherung. Ohne die würde es nicht gehen, insgesamt sind in der Familienkasse pro Monat 2000 Euro. Fast genauso viel würde da auflaufen, wenn die Familie von Hartz IV lebte. Aber zu Hause, da würde ihm die Decke auf den Kopf fallen. Und die Arbeit macht ihm ja auch Spaß, "aber wegen des geringen Lohnes ist man frustriert", sagt Götschel.

Er sagt oft "man", wo er eigentlich "ich" meint, so wie das Leute machen, die ein wenig Distanz aufbauen wollen. Zu sich, zum Job, zu der Meinung der anderen. Man weiß bei Götschel nicht so genau, ob ihn sein Status nur nervt oder manchmal deprimiert. Seine Schilderung verselbstständigt sich irgendwann. Götschel redet wie jemand, der nicht wirklich glaubt, dass sich seine Lage bessern wird. Natürlich sei er hoffnungslos unterbezahlt, sagt er, "und das Dilemma bereitet mir manche schlaflose Nacht - ich kann meiner Familie nicht mal einen Urlaub bieten, aber so ist es halt". Die Kinder schreien jetzt im Nebenzimmer, Götschel holt kurz Luft und sagt: "Dumpinglöhne sind eine Sauerei, aber man muss halt aufrecht bleiben und weitermachen."

Peinlich, findet er, müsse ihm nicht sein, dass der Staat ihm Geld zuschießt.

Aber seinen Eltern erzählt er es nicht. Die kommen aus einer anderen Zeit, sagt Götschel, die verstehen das nicht: dass man den ganzen Tag arbeitet, davon aber nicht leben kann.