Ein Fußballspiel für den guten Zweck hat Menschen aus der Schanze zusammengebracht - und ihr Gemeinschaftsgefühl gestärkt.
Hamburg. Der Mann mit dem Totenkopf-Motiv auf dem Sweatshirt - Kippe in der einen, Bier in der anderen Hand - hatte an diesem Morgen noch keine Zeit, sich zu kämmen. Oder keine Lust. Neben ihm steht ein Mittzwanziger mit streng zurückgegeltem Haar, der ein strahlend rotes Trikot trägt und an einem Energy-Drink nippt. Zwei Typen aus der Schanze, von denen der eine für die Schickimickisierung des Viertels und der andere für die protestierenden Anwohner steht. Würden sich die beiden am Wochenende auf dem Schulterblatt begegnen, hätten sie sich sicher nichts zu sagen. Anders als an diesem Sonnabend am Spielfeldrand des ehemaligen Polizeisportplatzes im Schanzenpark. Die zwei diskutieren. Lachen. Stoßen mit ihren Getränken an. Hauen sich freundschaftlich auf die Schulter. Sie beweisen, dass Fußball Menschen jeglicher Couleur verbinden kann.
Genau darum geht es an diesem Tag beim Turnier "Soccer meets Schanze": Das Gemeinschaftsgefühl der Menschen zu stärken, die in dem Viertel leben und arbeiten. 32 Mannschaften treten gegeneinander an. Mitarbeiter des Mövenpick-Hotels und der Deutschen Bank kicken gegen langjährige Bewohner der Schanze, Werbeagentur-Inhaber treten gegen eine Mädchenmannschaft an. "Wir wollen ein Zeichen setzen, ohne Scheiben einzuschlagen", sagt Antonio Avarello, den alle nur Toni nennen. Der 29-Jährige hat das Fußball-Event, das die Hilfsorganisation "Viva con Agua" unterstützt, bereits zum zweiten Mal organisiert. Die Schanze, die in der vergangenen Zeit so oft in Verruf geraten ist, könne eben auch anders. Ohne Krawall. Ganz friedlich. Eben miteinander.
"Ich liebe das Viertel. Hier bin ich zu Hause", sagt Toni Avarello, der das Szenequartier blind zu kennen scheint. An einigen Ecken könne er immer noch den alten Charme entdecken, zum Beispiel beim Café unter den Linden. Weniger gefalle ihm das Fast-Food-Restaurant am S-Bahnhof. "Eine der negativen Entwicklungen", so der Italiener. Seine Verbundenheit zur Schanze ist groß. Auch für Freundin Anna hätte er sein Zuhause nicht verlassen. Sie ist zu ihm gezogen. Und unterstützt Toni, wenn er sich mal wieder mit viel Engagement und Herz dafür einsetzt, dass die Menschen in ihrem Stadtteil zusammenrücken. Unabhängig von ihrer Herkunft, ihren Klamotten, ihrem Job. "Beim Fußballturnier können sich die Leute austauschen und zeigen, dass sie zu ihrem Viertel stehen", sagt Toni. Zeigen, dass in der Schanze mehr möglich ist als Randale.
André Ceada steht seit 13 Jahren zur Schanze. "Ich lebe super gern hier", sagt der 44 Jahre alte Erlebnisarchitekt. "Das Schulterblatt und die Straßen drumherum sind mein großes Büro." Mehr als Laptop und Telefon brauche er nicht für seinen Job. Er nehme aber auch die negativen Veränderungen wahr. "Dass die Parkbuchten an der Susannenstraße den Gastronomen zur Verfügung gestellt werden sollen, finde ich zum Beispiel extrem blöd." Schließlich bräuchten auch die Menschen wie etwa der ansässige Tischler Platz zum Ein- und Ausladen. Dafür begeistert ihn das Fußballturnier. "Es ist ein notwendiges Event, das Zusammenhalt bringt. Es ist fernab vom coolen Schanzen-Blabla." Auf dem Spielfeld träfen Alt und Jung aufeinander. Szenig und nicht szenig. Und zig Nationen.
Angefeuert werden alle Mannschaften. Böse Fouls gibt es an diesem sonnigen Nachmittag nicht. Statt Verlierer gibt es höchstens zweite Gewinner. "Es ist wie ein riesengroßes Familientreffen", sagt Pepi Filipe und grinst zufrieden. Stimmt. Alle Generationen sind vertreten. Der Opa, der den Spielern gute Tipps zuraunt. Eltern, die stolz ihren Nachwuchs im Kinderwagen vor sich herschieben. Grundschüler, die vor Vergnügen quietschend über den Rasenplatz tollen. Geschminkte Girlies, die auf der Betontribüne lümmeln und giggeln, wenn ein hübscher Junge vorbeischlendert.
Pepi Felipe bringt es auf den Punkt: "Die Stimmung ist einfach entspannt, und jeder fühlt sich wohl." Für ihn habe sich vieles in der Schanze zum Positiven verändert. "Es ist viel sicherer geworden", sagt der 25 Jahre alte Portugiese. "Als Kinder mussten wir immer spätestens um 18 Uhr zu Hause sein." Wegen der Junkies und der Drogendealer, die auf den Straßen rumlungerten, die heute das Partyvolk magisch anziehen. Johann Jencquel kennt nur die Straßen mit den fröhlich feiernden Menschen. Erst seit sechs Monaten wohnt der 20-Jährige in der Schanze. In einer WG mit zwei Kumpels, mit denen er zuvor das Internat Louisenlund in Schleswig-Holstein besucht hat. "Deshalb haben wir unser Fußballteam Louisenlund genannt", sagt der Blondschopf.
Sie kickten mit, weil es für einen guten Zweck sei. "Und weil es cool ist, neue Leute aus der Nachbarschaft kennenzulernen", sagt Johann Jencquel, dessen Zähne genauso weiß sind wie sein Trikot. Die Schanze habe sich der angehende Bankkaufmann als Wohnort ausgesucht, weil die Gegend nicht so spießig sei. "Hier laufen Leute von A bis Z rum und verstehen sich trotzdem." Und nach dem Fußballfest vielleicht noch ein bisschen besser.