Der Präsident der Hochschule für Musik und Theater plädiert auch für eine neue Art der Forschungsförderung, um die kreativen Potenziale besser zu entfalten

Welche besonderen Chancen und Aufgaben kommen den Künsten in unserer Zeit zu? Mit dieser Frage haben die deutschen und internationalen Hochschulen zu tun, die gegenwärtig intensiv an einer Neupositionierung arbeiten, so auch die Hochschule für Musik und Theater Hamburg im Jahr ihres 60-jährigen Bestehens. Ein scharfer Wettbewerb der Ideen ist im Gange. Es ist Zeit, über die Stellung der künstlerischen Hochschulen im Hochschulsystem nachzudenken.

Zwei Probleme fordern uns heraus: Das erste besteht in einer Schieflage in Bezug auf die Bachelor-Masterreform. Von politischer Seite wird großer Wert auf ein einheitliches System gelegt. Jeder Studiengang musste modularisiert und in die Bachelor- und Masterform gebracht werden, was im Schauspielbereich zu großen Problemen geführt hat. Ausnahmen waren aber besonders in Hamburg nicht möglich. Damit war es dann aber genug mit der Einheitlichkeit. Die dritte Stufe der Qualifikation, die Promotion, war für die künstlerischen Studiengänge nicht vorgesehen. Hier gibt es zwar das Konzertexamen, was außerordentlich wichtig und international sehr gefragt ist. Aber es fehlt der in den USA übliche "doctor of musical arts" (DMA), der dort als Qualifikation für künstlerische Professuren vorausgesetzt wird. In Deutschland muss über eine echte künstlerische Promotionsmöglichkeit nachgedacht werden als Ergänzung zu den wissenschaftlichen Promotionsmöglichkeiten, die auch heute schon an den künstlerischen Hochschulen möglich sind.

Am weitesten ist die Promotionsordnung der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, die künstlerische Teile zulässt, und auch in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg gibt es den "doctor scientiae musicae" .

Auch hier liegt der Schwerpunkt auf der Wissenschaft und die absurde Situation bleibt bestehen, dass ein Musikwissenschaftler mit einer Arbeit über ein Kunstwerk promovieren kann, dem Künstler, der das Werk geschaffen hat, diese Möglichkeit aber fehlt.

Das zweite Problem betrifft die Förderungsmöglichkeit künstlerischer Projekte. Der Haushalt künstlerischer Hochschulen ist zu über 90 Prozent ein Personalhaushalt. Für künstlerische Produktionen und Neuentwicklungen gibt es keine der Forschungsförderung vergleichbaren Finanzierungsmöglichkeiten, weder in der Wissenschafts- noch der Kulturbehörde, und es gibt keine der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) vergleichbare Förderungseinrichtung für künstlerische Entwicklungsprojekte. Dreh- und Angelpunkt der Musikhochschule bleibt die künstlerische Exzellenz ihrer Absolventen. Hier hat die Hamburger Hochschule ein internationales Renommee. Studierende aus 45 Nationen werden in allen Spielarten der Musik- und Theaterberufe ausgebildet, dazu kommen Musikpädagogik, Musiktherapie, Kultur- und Medienmanagement. Künstler wie György Ligeti, Alfred Schnittke, Jürgen Flimm haben hier gelehrt. Viele Professoren und Absolventen gehören zur künstlerischen Weltelite.

Die Hochschule arbeitet eng mit der Uni Hamburg, den Staatstheatern, der Staatsoper, mit Kampnagel, den Hamburger Orchestern zusammen und bildet mit der Hochschule für bildende Künste und der HafenCity-Universität den Verbund der "kleinen Hochschulen". Von den vielen internationalen Kooperationen seien nur die gemeinsamen Masterstudiengänge mit Hochschulen in Lyon, Shanghai und Groningen genannt.

In ihren über 300 öffentlichen Konzerten, Opern-Theateraufführungen und Wissenschaftspräsentationen zeigt sie hochrangige künstlerische Leistungen, riskante Vorwegnahmen zukünftiger Kunstrichtungen und eröffnet spannende Diskurse zwischen Kunst und Wissenschaft. Die Hochschule für Musik und Theater Hamburg will ihren Beitrag zur Entwicklung einer künstlerisch-kreativen Stadt leisten und findet hier mit großzügigen Mäzenen, Stiftungen und kulturinteressierten Unternehmen vielfältige Unterstützung.

Als künstlerische Hochschule ist sie Teil des Hochschulsystems. Das ist besonders spürbar, wenn es um strukturelle Forderungen geht. In den Förderungen sind Universität und Hochschule immer noch ausschließlich Synonym für Wissenschaft und Forschung. Künstlerische Entwicklungsvorhaben müssen mit Wissenschaft und Forschung vergleichbare Förderungen erhalten. Dann wird sich zeigen, welche enormen Beiträge die künstlerischen Hochschulen leisten könnten, um die gesellschaftlichen Potenziale der Künste zu entfalten!