Professor Wolfgang Gerke ist Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums und Experte für Banken und Börse.

1. Hamburger Abendblatt:

Warum fallen die Aktienkurse so stark, obwohl Deutschland wieder auf Wachstumskurs ist?

Wolfgang Gerke:

Die Anleger sind mit der Entwicklung in Euro-Land sehr unzufrieden, und das bekommt Deutschland als einer der größten Kapitalmärkte zu spüren. Angesichts der noch vielen Probleme war die Börse bisher sehr euphorisch. Innerhalb eines Jahres ist der Deutsche Aktienindex von 3700 auf über 6000 Punkte gestiegen. Da dürfen sich Anleger über eine Korrektur, die noch keine Katastrophe ist, nicht wundern.

2. Drohen nach der Sorge um das spanische Bankensystem noch weitere Hiobsbotschaften?

Damit rechne ich. Denn es geht nicht nur um Spanien, ein Land, in dem sich viele mit Immobilien übernommen haben. Deshalb sind auch weitere Rettungsmaßnahmen innerhalb des spanischen Bankensektors nicht ausgeschlossen. Die Schuldenkrise in der Euro-Zone zwingt zu Sparmaßnahmen. Anleger fürchten, dass die Konsolidierung der Haushalte das Wachstum bremst. Auch die Schlagzeilen aus Korea lösen neue Ängste aus, die den Aktienmarkt belasten. Deshalb wird die Entwicklung am Aktienmarkt in den nächsten Wochen unsicher bleiben.

3. Wird Deutschland von Spekulanten mit sinkenden Aktienkursen bestraft, weil es bei der Finanzmarktregulierung im Alleingang mit Maßnahmen wie dem Verbot von Leerverkäufen vorangeht?

Das ist Quatsch. Internationale Anleger lösen ihre Investments nicht auf, weil sie mit einzelnen Regulierungsmaßnahmen nicht einverstanden sind. Dahinter stehen wirtschaftliche Entscheidungen, weil sich möglicherweise anderswo bessere Investmentchancen bieten. Die Schwäche des Euro spielt für ausländische Anleger eine wichtige Rolle. Andererseits denkt nur ein Teil der Anleger so. Denn es gibt ausreichend Käufer, die an die Chancen von Deutschland und Europa glauben. Und das sind keine verängstigten Privatanleger, sondern Profis, die günstige Einstiegskurse nutzen.

4. Sollten Privatanleger denn in der aktuellen Situation ihre Aktien schnell verkaufen?

Wer ein gut gestreutes Depot hat und seine Anlage längerfristig betrachtet, hat dazu keinen Anlass. Verkaufen müssen nur Privatanleger, die auf Kredit Aktien gekauft haben.

5. Welche Alternativen, Geld anzulegen, bieten sich jetzt zu Aktien an?

Ich rate zur selbst genutzten Immobilie, die; richtig finanziert; im Ruhestand Mietzahlungen erspart und gewissen Schutz vor Inflation bietet. Die sehr niedrigen Zinsen sprechen ebenfalls dafür. Generell erweist sich für die Vermögensanlage immer eine Mischung aus Anlageklassen als vorteilhaft.