Die ehemalige Hamburger Unternehmerin Rita Mirliauntas berät Existensgründer beim Start in die Selbstständigkeit. Ehrenamtlich.

Hamburg. Nachmittage auf der Couch, Verabredungen zum Golf mit den Freundinnen oder Seniorenkurse an der Uni? Für Rita Mirliauntas sind solche Freizeitvergnügungen kein Thema. Zu viel Muße, zu wenig Herausforderung. "Ich sitze nirgendwo einfach rum, ohne etwas zu tun", sagt die Hamburgerin. Selbst beim Friseur legt die 71-Jährige ihr iPhone nicht aus der Hand. Während andere Frauen sich der Meditation oder leichter Lektüre widmen, erledigt die Hamburgerin während der Kopfmassage gleich noch ihre Mails.

Rita Mirliauntas lebt dafür, anderen zu helfen. Sie ist Beraterin für Existenzgründer, in allen Lebenslagen. Ehrenamtlich. Seit elf Jahren. 650 Menschen hat sie schon geholfen, ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Mal sind ihre Gesprächspartner Macher, die sich selbst verwirklichen wollten, dann wieder Arbeitslose, die es aus Not oder Mangel an Alternativen in die Selbstständigkeit trieb, oder Frauen nach der Babypause, die ihrem Leben einen neuen Inhalt geben wollen.

1999 verkaufte die Frau, die selber in einer Hamburger Kaufmannsfamilie aufwuchs, ihr eigenes Reisebüro. Vor allem aus dieser Zeit gibt sie ihre Erfahrungen weiter, mal ist sie für die Gründer Seelentrösterin, mal Marketingconsultant, immer häufiger aber auch Türöffnerin bei Banken.

Wie kürzlich in einem Hotel in Hittfeld: 70 Männer sitzen in einem Saal und hören einer Frau zu. Rita Mirliauntas ist in ihrem Element. "Helm ab, Hut auf" heißt die Veranstaltung der Bundeswehr, bei der die Unternehmerberaterin den ehemaligen Offizieren oder Hauptmännern in ein neues Berufsleben helfen soll. Die Teilnehmer sind mit ihren knapp über fünfzig für die Truppe zu alt - in den Augen der energischen Referentin aber viel zu jung fürs Nichtstun. "Drei Monate dürfen Sie jetzt zu Hause ausruhen, dann ist Schluss", ruft Mirliauntas den Herren zu und fragt jeden nach seinem Traumberuf. "Schiffbauer", habe einmal einer der Zuhörer geantwortet, erinnert sich Mirliauntas an ein früheres Bundeswehr-Coaching. Sie empfahl dem reifen Herrn ein Praktikum bei einer Schiffwerft. Heute ist der ehemalige Stabsoffizier an dem kleinen Betrieb an der Ostsee beteiligt und gibt nebenbei Segelunterricht. Eine Karriere ganz nach dem Geschmack der studierten Kauffrau: "Zu viele Leute haben ein Leben lang den Beruf, den sie gelernt haben; aber in dem sie nie richtig zufrieden waren", beklagt sie die typisch deutsche Mentalität und nennt die Amerikaner als Vorbild: "Die machen häufiger einfach das, was ihnen Spaß macht; ohne eine spezielle Qualifikation, aber mit großem Engagement."

Auch Mirliauntas selber hat dieses Prinzip gelebt: Ohne entsprechende Ausbildung eröffnete sie in den 70er-Jahren ihr Reisebüro, schaffte es dann sogar in die Prüfungskommission der Handelskammer für Reiseverkehrskaufleute. Ihr Geschäft manövrierte sie selbst durch die schlimmsten Krisen der Reisebranche. Sie spezialisierte sich auf Griechenland, die Heimat ihres Ehemanns, mit dem sie seit 49 Jahren verheiratet ist, und erwärmte die kühlen Hamburger für die Schönheiten des inzwischen angeschlagenen Mittelmeerlandes. Mit verblüffender Kreativität. Zum Auftakt präsentierte sie den Klassiker "Alexis Sorbas" als Zeugnis griechischer Lebensart in ihren Geschäftsräumen. "Dreimal musste ich den Film an dem Abend zeigen, so viele Leute waren gekommen", amüsiert sie sich noch heute. Vom Erfolg beflügelt, organisierte sie einen griechischen Abend in den Nationalfarben Blau-Weiß, lieh weiße Bäumchen von einem Beerdigungsinstitut und engagierte Busuki-Musiker, die "Weiße Rosen aus Athen" spielten. Auch dieser Abend war ein riesiger Erfolg - spätestens da war ihr Reiseziel in der Ägäis in aller Munde.

Doch irgendwann bröckelten die Provisionen, und die Unternehmerin verkaufte ihr Geschäft an Kühne + Nagel. Und bei der Mutter von inzwischen zwei erwachsenen Söhnen reifte die Idee einer zweiten Karriere als Gründerberaterin. Zunächst bei den Wirtschaftssenioren. Davon "sechs Jahre als Vorsitzende mit 30 Herren als einzige Frau", sagt sie schmunzelnd. Und seit vergangenem Jahr als Initiatorin des Gründer-Kompetenz-Zentrums, in dem ehemalige, aber auch noch aktive Unternehmer und junge Gründer gemeinsam in Einzelgesprächen beraten oder Referate zu juristischen oder betriebswirtschaftlichen Fachthemen und Kontakte anbieten. Kooperationen mit Partnern wie der Handels- und Handwerkskammer, der KfW Mittelstandsbank und der Bürgschaftsgemeinschaft Hamburg helfen dabei.

Gemeinsam mit ihrem Team hat Mirliauntas kürzlich einem Paar zum Start eines Geschäfts für Möbel aus Theaterkulissen verholfen, ermunterte eine ehemalige Controllerin dazu, Barkassenfahrten mit einer Führung abseits der üblichen Hafendöntjes anzubieten, und erarbeitete mit einem jungen Mann einen Businessplan zur Gründung eines Maklerbüros für Luxusimmobilien.

Unter ihren Schützlingen vom Militär ist sogar ein Existenzgründer, der auf ihr Anraten hin eine stillgelegte Ackerfläche auf dem elterlichen Bauernhof zu einem Tierfriedhof umwandelte. Die Idee findet bei Hamburger Hunde- und Katzenliebhabern großen Anklang, der Gründer ist zufrieden.

"Ich habe alles", resümiert Mirliauntas, "zwei gesunde Kinder, eine glückliche Ehe, eine erfolgreiche Karriere als Unternehmerin, alles, was man im Leben haben kann. Warum sollte ich da nicht auch etwas zurückgeben?"