Bei der Klausurtagung geht es darum, wer auf welche Projekte verzichten muss

Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Daher tagt der Hamburger Senat heute nicht, wie sonst dienstags, für ein bis zwei Stunden am Vormittag im Rathaus, sondern ganztägig in seinem Gästehaus an der Alster. Das bestätigte Senatssprecher Markus Kamradt dem Abendblatt. Dass es sich um eine Krisensitzung handelt, angesichts der Probleme, mit denen die CDU/GAL-Regierung zu kämpfen hat, wies er zurück: "Das Treffen war schon länger geplant. Es geht unter anderem darum, die Haushaltsberatungen vorzustrukturieren."

"Strukturieren" bedeutet vor allem: Die Behördenchefs verhandeln, wer im Doppelhaushalt 2011/2012 auf welches Projekt verzichten, wer an welcher Stelle sparen muss. Denn die finanzielle Lage der Stadt ist düster. Der Mai-Steuerschätzung zufolge kann Hamburg für das Jahr 2011 mit Steuereinnahmen in Höhe von 7,547 Milliarden Euro rechnen - das sind 100 Millionen weniger als noch 2009 geschätzt und gut 1,6 Milliarden Euro weniger als im Mai 2008 geschätzt. Für 2012 weicht die aktuelle Schätzung (7,97 Milliarden Euro) in nahezu identischen Dimensionen von den vorherigen ab. Das bedeutet: Als CDU und GAL im Frühjahr 2008 ihren Koalitionsvertrag unterzeichneten, gingen sie davon aus, 2011/2012 knapp 3,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung zu haben, als das nun vermutlich der Fall sein wird. Zwar wird nicht in dieser Größenordnung gespart, weil der Senat die Milliardenlücke schlicht durch Kreditaufnahme schließt. Doch allein die dafür anfallenden Zinsen summieren sich auf eine dreistellige Millionensumme pro Jahr - und die soll sehr wohl eingespart werden. Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) hatte daher angekündigt, insgesamt 94 Projekte daraufhin zu prüfen, ob die Stadt sie sich noch leisten kann. Dazu zählen dürften unter anderem die Einführung der Stadtbahn (Kosten im dreistelligen Millionenbereich) und der Bau eines neues Uni-Campus im Hafen (zwei bis vier Milliarden Euro).

Die offiziellen Haushaltsberatungen Mitte Juni bieten den Koalitionären also schon wenig Anlass für Vorfreude. Und es gibt ebenbürtige Probleme: In knapp zwei Monaten, am 18. Juli, steht der Volksentscheid zur Schulreform an. Und die tödliche Messerattacke auf einen 19-Jährigen im S-Bahnhof Jungfernstieg deckt erste Risse im bislang so harmonischen schwarz-grünen Bündnis auf. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) mokierte sich, dass der jugendliche Intensivtäter Elias A. nicht längst "hinter Schloss und Riegel" saß, was Justizsenator Till Steffen (GAL) zu der Reaktion veranlasste, die von den Ermittlern erbrachten Beweise hätten nicht ausgereicht. Das von Ahlhaus und Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) geforderte Alkoholverbot in Bussen und Bahnen stieß wiederum beim HVV auf wenig Begeisterung. Frisch gewählte Aufsichtsratschefin des Verkehrsbetriebs ist Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL). Reichlich Gesprächsstoff also für eine Klausur an der Alster.