Joachim Katz, 61, ist seit 1986 Richter am Amtsgericht Altona.

1. Hamburger Abendblatt:

Herr Katz, urteilen die Jugendgerichte zu lasch?

Joachim Katz:

Davon kann keine Rede sein. Hart oder milde sind keine Kriterien des Jugendstrafrechts. Das Jugendstrafrecht und der daran gebundene Richter haben die absolut vorrangige Aufgabe, zu verhindern, dass der angeklagte junge Mensch weitere Straftaten begeht. Er muss daher zu der Sanktion greifen, die dieses Ziel am ehesten zu erreichen verspricht. "Harte Strafen zur Abschreckung" sind der falsche Weg, das belegen wissenschaftliche Studien.

2. Lässt die Justiz mehrfach vorbestraften Tätern wie Elias A. zu viel durchgehen?

Die Jugendrichter entscheiden im Einzelfall, welches Instrument das geeignetste ist. Die Maßnahmen reichen von einer Betreuungsweisung über Anti-Aggressions-Training bis zur Jugendstrafe, der Ultima Ratio des Jugendstrafrechts. Auch wenn das Jugendstrafrecht eine primär erzieherische Funktion hat - es ist kein Kuschelstrafrecht!

3. Wie bekommt man denn jugendliche Intensivstraftäter in den Griff?

Das würde ich gern selber wissen. Seit Jahren beschäftigen sich Fachleute aus Kriminologie und Justiz mit dieser Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Was ich immer wieder beobachte: Gewalttäter stammen häufig aus prekären Verhältnissen und haben selbst Gewalt erlebt. Gerade diese Angeklagten haben häufig ein minimales Selbstwertgefühl. Kaum einer unserer Intensivstraftäter wird zum Totschläger.

4. Wie viele der Jugendlichen, die Sie verurteilt haben, sehen Sie vor Gericht wieder?

Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent, das ärgert mich schon. Manche aber nur noch ein- oder zweimal. Andererseits ist es eine Genugtuung, zu sehen, dass kriminelle Jugendliche, die ich etwa zu einer Bewährungsstrafe verurteilt habe, oftmals doch noch einen positiven Lebensweg einschlagen.

5. Lässt sich das Gebot, dass die Strafe auf dem Fuße folgen muss, in der Praxis umsetzen?

Es gibt bei Jugendlichen einen generellen Beschleunigungsgrundsatz. In der Regel landen die Fälle ein bis zwei Monate nach der Tat bei mir. Ich kann sie etwa einen Monat später verhandeln. Das ist schnell genug. Die Strafe, die auf dem Fuße folgt, kann es nicht geben.