Dazu zählt der Landeschef der Gewerkschaft Ver.di auch die Betreuung in einer Kita. Sie sollte aus Steuern bezahlt werden, denn Bildung ist eine Aufgabe aller Bürger

Unsere Kinder sind kein Luxus! Die Gebührenerhöhungen für die Kitas, die der Senat beschlossen hat, erhitzen die Gemüter. Für viele Eltern ist eine rote Linie überschritten. Trotz mittlerer bis guter Einkommen trifft die teils saftige Gebührensteigerung die privaten Haushaltskassen empfindlich. Das Leben für Familien mit Kindern ist in Hamburg ohnehin teuer. Deshalb empfinden Eltern es zu Recht als ungerecht, dass sie für die Schulden und Haushaltslöcher aufkommen sollen, die durch unverantwortliches Gebaren der Finanzspekulanten und die von ihnen ausgelöste Krise entstanden sind.

Doch die Debatte greift zu kurz, wenn sie nur um das Für oder Wider einer Erhöhung geführt wird. Eigentlich geht es darum, ob die Betreuung und Bildung der Kinder im Vorschulalter überhaupt über Gebühren bezahlt werden sollen.

Ich meine: nein. Diese Gebühren sind keine finanzpolitische Notwendigkeit - sie sind überholt, ein Denkfehler, eine Geringschätzung des Stellenwertes öffentlicher Kinderbetreuung. Den Eltern wird einseitig eine Verantwortung auferlegt, die unsere Gesellschaft als Ganzes zu tragen hat. Denn sie profitiert von Kindern, die eine gute Bildung erfahren, bestehend nicht nur aus Wissen und Fertigkeiten, auch aus sozialer und demokratischer Persönlichkeitsbildung. Dafür sind die ersten Jahre von großer Bedeutung.

Lange Zeit wurde öffentliche Kinderbetreuung vor allem als Aufbewahrung verstanden, als Luxus für Eltern, sich einige Stunden am Tag der Mühsal der Erziehung zu entledigen. Kitas und Horte wurden vorrangig als Leistung für Eltern verstanden, nicht für die Kinder; das war der Unterschied zur Schule, die gebührenfrei ist. Bildung ist aber das Recht jedes Kindes und Jugendlichen, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern.

Die Betreuung in Kitas und Horten ab dem ersten Lebensjahr ist eine Form der Bildung, selbstverständlich in kindgerechter, spielerischer Form. Das wird inzwischen zum Glück auch in Deutschland immer mehr verstanden. Deshalb haben die Kinder ein eigenes Recht auf diese Bildung! Auch die soziale Funktion für die Eltern bleibt wichtig, vor allem für die Frauen. Mangelnde oder zu teure öffentliche Betreuung führt dazu, dass viele Frauen zu Hause bleiben, obwohl sie gut, oft erstklassig ausgebildet sind und arbeiten wollen.

Die jungen Frauen heute sind besser ausgebildet als jede Generation vor ihnen. Ihnen die Chance zur Arbeit vorzuenthalten, widerspricht ihrem Recht auf Eigenständigkeit und Emanzipation und ist eine gigantische volkswirtschaftliche Verschwendung - die uns am Ende viel teurer kommt als gebührenfreie Kitas.

Schon heute wird die Kinderbetreuung größtenteils aus Steuergeldern bezahlt. In Hamburg decken die Gebühren etwa 20 Prozent der Kita-Kosten. Die Gebührenfreiheit würde den Hamburger Haushalt bis zu 100 Millionen Euro zusätzlich kosten, einschließlich aller prognostizierten Ausbaumaßnahmen der kommenden Jahre. Das ist eine Menge Geld. Dennoch ist es eine Frage des politischen Willens, nicht der Kassenlage. Berlin, viel ärmer als Hamburg, führt 2011 die Gebührenfreiheit ein. Es geht also.

Die Gegenfinanzierung muss aus Steuern kommen. Das ist möglich: Allein die Wiedereinführung einer maßvollen Vermögenssteuer brächte Hamburg jährliche Mehreinnahmen von einer Milliarde Euro (die Reichen würden davon nicht viel merken). Und es wäre gerechter, weil die hohen Einkommen und Vermögen mehr beitragen als die niedrigen. Deshalb sollten wir in Hamburg den großen Schritt wagen: gebührenfreie Bildung - von Anfang an!

Wolfgang Rose, 62, ist Chef der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg.