Wer seine Prämien monatlich, viertel- oder halbjährlich zahlte, wurde meist übervorteilt. Die Verbraucherzentrale stellt einen Musterbrief ins Netz.

Hamburg. Der Versicherungswirtschaft drohen milliardenschwere Rückforderungen. Profitieren können alle Verbraucher, die ihren Versicherungsbeitrag nicht einmal im Jahr, sondern in monatlichen, viertel- oder halbjährlichen Raten zahlen. Betroffen sind alle Versicherungsarten von der Kfz-Police bis zur Lebensversicherung, nicht jedoch die private Krankenversicherung und Verträge der betrieblichen Altersversorgung. Der Versicherungsbeitrag muss außerdem mindestens 200 Euro im Jahr betragen.

In einem Urteil gegen die HUK-Coburg kommt das Landgericht (LG) Bamberg zu dem Ergebnis, dass eine unterjährige Zahlung von Prämien einen Kredit darstellt und dafür der Effektivzins anzugeben ist (Az.: 2 O 764/04). Doch das macht kaum ein Versicherer. Ein Hinweis, dass die monatliche Zahlung teurer ist als die jährliche reicht nicht aus. Ohne Angabe des Effektivzinses, ist maximal ein Zins von vier Prozent zulässig. Eine Entscheidung, die durch ein Anerkenntnisurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) rechtskräftig wurde (Az. I ZR 22/07).

Hier finden Sie den Musterbrief der Verbraucherzentrale

"Die Kunden können jetzt eine Anpassung ihrer Aufschläge für die Vergangenheit und Zukunft verlangen und Geld zurückfordern", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg, die auf ihrer Internetseite dafür einen Musterbrief vorbereitet hat. Ein Beispiel: Für einen jungen Autofahrer kostet die Kfz-Versicherung 1200 Euro im Jahr. Da er aber seine Prämie nur monatlich bezahlen kann, werden ihm 105 Euro abgebucht. Dieser Aufschlag von fünf Prozent führt zu einem jährlichen Effektivzins von 11,35 Prozent. "Da aber nur vier Prozent Effektivzins zulässig sind, darf der Aufschlag lediglich bei 1,81 Prozent liegen", sagt der Versicherungssachverständige Peter Schramm. Der Kunde zahlt rund 38 Euro im Jahr zu viel, die er für mindestens drei Jahre zurückfordern kann. "Besonders lohnend sind Rückforderungen bei Lebensversicherungen, wo monatlich hohe Raten gezahlt werden", sagt Schramm. Er schätzt das Volumen der Rückforderungen auf 15 Milliarden Euro.

Natürlich werden die Versicherer versuchen, die Ansprüche abzuwehren. "Das Urteil bezieht sich auf einen Einzelfall und lässt keine Rückschlüsse auf andere Sparten zu", sagt Matthias Müller vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Außerdem habe sich der BGH mit der Sache nicht beschäftigt, sondern nur ein Anerkenntnisurteil gefällt. "Das lässt man ohne Not nicht zu", sagt Rechtsanwalt Jens Kindt von der Hamburger Sozietät Schomerus & Partner.

Die HUK hatte gegen das Urteil des LG Bamberg Berufung eingelegt und bekam vor dem Oberlandesgericht Bamberg recht (Az.: 3 U 35/06). Darauf zog der klagende Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vor den BGH. "In der mündlichen Verhandlung hat der BGH erkennen lassen, dass er der Auffassung des LG Bamberg folgt", sagt Lars Gatschke vom vzbv. Unmittelbar vor der Urteilsverkündung erkannte die HUK das Urteil des LG Bamberg an. Die Versicherung verhinderte damit, dass sich der BGH in der Sache äußerte. "Ein geschickter Schachzug der HUK", sagt Rechtsanwalt Johannes Fiala. Denn er sieht noch eine weitere Konsequenz für die Branche. "Da im Zusammenhang mit der Ratenzahlung auch keine Belehrung über das Widerrufsrecht erfolgte, kann der Vertrag rückabgewickelt werden", sagt Fiala. Davon sieht er auch Verträge betroffen, die bereits gekündigt wurden. Das wäre für die Versicherer verheerend. "Der Schaden könnte dann bis zu 50 Milliarden Euro betragen", sagt Schramm. Nach dem Urteil gab der GDV gleich ein Gutachten in Auftrag, um die Folgen abzuschätzen. Um die Frage, ob Versicherungsverträge Kreditverträge sind, ging es dabei nicht mehr.