Hellmut Königshaus (FDP) wird heute als Wehrbeauftragter vereidigt.

Hamburger Abendblatt:

1. Mit der Gründung der Bundeswehr wurde das Konzept der "Inneren Führung" entwickelt, das auf dem Leitbild des "Staatsbürgers in Uniform" fußt. Wie wichtig ist das heute noch?

Hellmut Königshaus:

Deutschland hat aus den schlimmen Erfahrungen in der Vergangenheit gelernt, seine Streitkräfte sind institutionell in der Gesellschaft verankert. Und diese werden nach wie vor vom Leitbild des "Staatsbürgers in Uniform" geprägt, sie werden politisch geführt und können nur vom Parlament in den Einsatz geschickt werden. Nirgendwo in der Welt gibt es eine solche enge Anbindung des Militärs an die Gesellschaft.

2. Aber das Ende des Zweiten Weltkriegs liegt 65 Jahre zurück. Sind die Zeiten des "Kadavergehorsams" nicht endgültig vorbei?

Gerade weil diese dunkle Vergangenheit zunehmend in Vergessenheit gerät, ist die Erhaltung und Vermittlung der Inneren Führung, vor allem auch an die jungen Soldatinnen und Soldaten, eine immer neue Herausforderung. Und unser Grundgesetz wirkt diesem Vergessen mit institutionellen Sicherungen wie der Einrichtung des Amtes des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages entgegen.

3. Die demokratischen Prinzipien der Bundeswehr haben sich lange nicht im Ernstfall bewähren müssen. Inzwischen waren mehr als 100 000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, heute kämpfen sie in Afghanistan. Braucht man da noch den "Staatsbürger in Uniform"?

Gerade unter den großen Belastungen im Einsatz müssen die Grundsätze der Inneren Führung gesichert werden. Menschenwürdige Behandlung, Handeln aus innerer Einsicht, Respekt vor Recht und Gesetz sowie Fürsorge - um nur Stichworte zu nennen - sind die Grundlage für Vertrauen, Loyalität und Kameradschaft, auch im Gefecht.

4. Das heißt, der Afghanistan-Einsatz ist der erste große Testlauf für die Ethik der Bundeswehr?

Ja. Er ist eine Bewährungsprobe für die Verankerung unserer Streitkräfte in der Gesellschaft und eine Herausforderung für alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte. So, wie die Soldatinnen und Soldaten und ihre Angehörigen Entbehrungen hinnehmen und Opfer bringen, so können sie berechtigterweise auch die Unterstützung der Gesellschaft für ihre Belange einfordern.

5. Da beziehen Sie die Gegner des Afghanistan-Einsatzes mit ein?

Ja, auch diejenigen, die Auslandseinsätze ablehnen, sollten zwischen ihrer politischen Haltung und ihrem Verhalten gegenüber den Soldatinnen und Soldaten unterscheiden. Die haben mehr als nur freundliches Desinteresse verdient. Das ist die andere Seite des Prinzips der Inneren Führung.