Am Dienstag wird das Passage-Kino an der Mönckebergstraße wiedereröffnet. Der erste Blick in Hamburgs ältestes und neuestes Lichtspielhaus

Das Leben spielt nach seinem eigenen Drehbuch. Mit Szenen, die manchmal leinwandreif sind - ein Happy End inklusive. Ein bisschen wie im Film lief auch die Geschichte des Passage-Kinos, jenes fast 100 Jahre alten Traditionsbetriebs an der Mönckebergstraße.

Das Aus für Hamburgs ältestes Filmtheater, das 1913 mit dem Monumentalstreifen "Richard Wagner" eröffnet worden war, schien besiegelt, im vergangenen November fiel der vermeintlich letzte Vorhang. Doch dann tauchte am Horizont ein "Filmheld" auf. Ein Retter - und dieses Detail klingt jetzt zwar nicht nach Hollywood, dafür aber nach wahrem Leben - aus dem baden-württembergischen Kleinstädtchen Rudersberg.

Für 1,7 Millionen Euro hat der Schwabe Heinz Lochmann, 50, das 1700 Quadratmeter große Filmhaus mit seinen drei Sälen, die der Multiplex-Gigant Cinemaxx im vergangenen Herbst nach knapp 20 Jahren als "wirtschaftlich unmöglich" abgestoßen hatte, saniert. Mehr als 200 Arbeiter haben drei Monate lang gewerkelt und geschraubt, damit der Spielbetrieb am 26. Mai wieder aufgenommen werden kann. 1500 Quadratmeter Teppich wurden verlegt, 1200 Quadratmeter Stoff verarbeitet. Zur Wiedereröffnung hat sich Heinz Lochmann vier hoch attraktive Freundinnen aus New York eingekauft: Um 19.45 Uhr startet am kommenden Mittwoch im großen Saal (410 Plätze) "Sex & the City 2" - und das Passage-Kino damit in eine neue Ära.

Denn mindestens so sehenswert wie ein gut gemachter Film ist Hamburgs ältestes und gleichzeitig neuestes Filmtheater selbst: Davon dürfen sich am Dienstagabend mehr als 400 prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur überzeugen - das Abendblatt durfte jetzt schon hineingucken.

Im Stil des Art déco hat Heinz Lochmann, der in Süddeutschland bereits vier Kinos mit insgesamt 34 Leinwänden betreibt, sein Hamburger Haus einrichten lassen. "Das strahlt doch ein bisschen den Glanz des alten Hollywood aus", sagt er ein bisschen stolz und deutet auf die Goldglanz-Tapete, die schon im Foyer die Wände ziert. Die Theke besteht aus nachtschwarzem Granit, eingefasst von einem Kroko-Leder-Imitat. "Die passenden Bistrotische und rund 20 Tulpensessel werden in den nächsten Tagen aufgestellt." Bereits aufgehängt sind die beiden imposanten Kronleuchter, von denen allein einer knapp 300 Kilogramm wiegt. "Die Decke haben wir deshalb verstärkt", sagt Lochmann und fügt ein bisschen stolz hinzu, dass es sich bei den edlen Lichtspendern um handgefertigte Unikate handelt.

Über knapp 700 Plätze verfügt das neue Filmhaus, fast 60 weniger als zu Cinemaxx-Zeiten. "Die Zahl der Sitze habe ich reduziert, damit die Gäste mehr Beinfreiheit haben", sagt Heinz Lochmann. Der gelernte Bäckermeister, der sein erstes Kino einst von seinem Onkel erbte, hat den größten Saal mit orangefarbenen Sesseln - Modell "Montgomery Swing" zum Stückpreis von 480 Euro - ausstatten lassen. Lehnt sich der Zuschauer gemütlich zurück, gibt die Lehne nach. "Ein Gefühl wie im Wohnzimmer", sagt Familienvater Lochmann. Seine Passage sei bisher das deutschlandweit einzige Kino mit diesen in Bayern gefertigten "Premium-Sesseln", wie Lochmann sie nennt.

Innenarchitekt Gerhard Schäfer begeistert sich noch mehr als für die Bestuhlung für die goldfarbige Balkonbrüstung, die teils noch im Original erhalten geblieben war. "Das Baujahr dieses Hauses hat uns dazu inspiriert, konsequent den Art-déco-Stil umzusetzen", sagt er. Damit die goldene Brüstung im rechten Licht erstrahlt, habe man sich einen "halben Lastwagen voller Glühbirnen" gesichert, sagt Gerhard Schäfer und lacht ein bisschen verschmitzt. "Damit wir ausreichend Vorrat haben, wenn die Dinger demnächst gar nicht mehr verkauft werden."

Nur der zweite Saal (230 Plätze), der den Namen "Hanse" trägt, wurde ein wenig moderner gestaltet - mit dunkelgrauer Velours-Tapete, die insgesamt 12 000 Nieten zieren. "Lauter kleine Nägele", sagt Heinz Lochmann und streicht über die Wand. "Theater-Atmosphäre soll hier herüberkommen", sagt der Cineast, der "gefühlvolle Streifen" mag und "Ben Hur" seinen Lieblingsfilm nennt. Auch den kleinen "Studio"-Saal mit knapp 50 Sesseln hat der neue Betreiber komplett umgestalten lassen. "Früher sah der Raum ein bisschen aus wie eine Rumpelkammer, jetzt ist er doch liebevoll dekoriert, oder?", fragt er und deutet auf eine Wandmalerei. Frau mit Hund. Im Art-déco-Stil, natürlich. Ein Werk des Künstlers Uli Allgaier, der bisher jedes der Lochmann-Kinos verschönert hat.

Das Filmerlebnis selbst soll im neuen Passage-Kino schöner werden durch die 3D-Technik, die bald eingerichtet werden soll. Überhaupt plant Heinz Lochmann viele Aktionen, so wird am 29. Mai die Stieg-Larsson-Trilogie gezeigt.

Die Eintrittspreise wolle er "moderat" halten, sagt Heinz Lochmann. 8,50 Euro kostet die Karte - von montags bis sonntags. "Bei uns gibt es keine versteckten Erhöhungen nur weil Sonnabend ist oder weil der jeweilige Film Überlänge hat." Am Kino-Dienstag kostet die Karte 6,50 Euro, für Kinder bis 11 Jahre an jedem Tag nur 6 Euro. Sitzplatzreservierungen sind, anders als früher, möglich. "Ich hoffe, dass das neue alte Kino bei den Hamburgern ankommt", sagt Lochmann. Sieht gut aus. "Bravo!" hat einer auf eine Baustellen-Spanplatte vor dem Eingang gekritzelt. "Ein Stück Hamburg ist gerettet, danke!" schrieb ein anderer.

Das ist doch ein "Happy Beginning" für das neue alte Filmhaus.