Dieter Schnabel, Chef der Hamburger Helm AG und von 1320 Mitarbeitern, setzt auf Expansion und kritisiert die Schulpolitik des Senats scharf.

Hamburg. Das Glas Champagner gehört bei der Hamburger Helm AG zum alljährlichen Ritual. Zur Bilanzvorlage stößt Dieter Schnabel stets mit einem edlen Tropfen an. Auch am Dienstag. Obwohl die Zahlen des größten konzernunabhängigen Chemikalienhändlers Europas für 2009 weit von den Rekordwerten des Vorjahres entfernt sind. Der weltweite Umsatz brach von 9,1 auf 4,9 Milliarden Euro ein, das Ergebnis vor Steuern reduzierte sich von 145 auf 65 Millionen Euro. Und auch der Konzerngewinn nach Steuern rutschte von 103 auf 47 Millionen Euro. Die globalen Konjunktureinbrüche haben die Helm AG hart getroffen. Doch Schnabel begreift die "Krise als Chance", wie er sagt. Sein Rezept: zusätzliche Mitarbeiter, neue Produkte und Fabriken sowie einen höheren Reiseetat. "Denn vom Schreibtisch aus kann man den Kampf um Kunden nicht gewinnen."

Bereits 2009 hat der 63-Jährige, dem die Helm AG zusammen mit seinem Vater Hermann zu 100 Prozent gehört, das Personal aufgestockt. Weltweit beschäftigt das Unternehmen nun 1320 Mitarbeiter. Allein am Standort Hamburg wuchs die Zahl der Stellen in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel auf rund 600. Bis 2015 sollen 100 Arbeitsplätze in der City Süd dazukommen. Auf Kurzarbeit, Entlassungen und die Kürzung von Gehältern verzichtete die Helm AG trotz Krise. Die Führungskräfte mussten sich wegen der schwierigen ökonomischen Lage allerdings mit einer zum Teil deutlich geringeren Gewinnbeteiligung zufriedengeben.

Die Investitionen will Schnabel derweil auf hohem Niveau halten. Sie sollen bei jährlich 50 bis 70 Millionen Euro liegen. Die Expansionsstrategie in der Krise trägt offensichtlich schon erste Früchte. So geht der Vorstandschef mit Blick auf die bereits abgeschlossenen Verträge mit Kunden davon aus, dass Umsatz und Gewinn im ersten Halbjahr 2010 um 20 bis 30 Prozent über dem vergleichbaren Vorjahreswert liegen. "Und ein Plus von 20 Prozent sollten wir auch für das Gesamtjahr hinbekommen", sagt Schnabel.

Dazu dürfte allerdings nicht nur die offensive Firmenpolitik beitragen, auch die ökonomischen Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Monaten weltweit verbessert. Die Nachfrage nach Chemikalien und Pharmazeutika zieht an, die Preise steigen wieder. Gerade der Preisverfall hatte der Helm AG im vergangenen Jahr schwer zu schaffen gemacht. So wurden zum Beispiel Ende 2008 für eine Tonne Methanol noch 490 Euro bezahlt, Ende 2009 waren es 130 Euro.

Dennoch bereitet Schnabel der Blick in die Zukunft Sorgen. Hierbei schaut er nicht auf die betriebs- und volkswirtschaftlichen Daten. Der Helm-Chef geht hart mit der aktuellen Bildungspolitik des Hamburger Senats ins Gericht. "Durch die angestrebte Schulreform sehen wir die Leistungsorientierung in Gefahr", sagt er. Die sechsjährige Primarschule werde zu "einer Anpassung des Leistungsniveaus nach unten" führen. Ohnehin falle es ihm schon heute schwer, Schulabgänger aus Hamburg mit guten Mathematik- und Deutschkenntnissen zu finden. "Die Qualität sinkt stetig. Wir haben viel zu viel Mittelmaß."

Insgesamt hat die Helm AG rund 50 Auszubildende. Und bei den jungen, qualifizierten Fachkräften schaut sich Schnabel mittlerweile nicht nur in anderen Bundesländern, sondern weltweit um. Dabei hält er große Stücke auf das Bildungsniveau in Osteuropa, speziell in Polen. "Dort finden wir viele junge Menschen mit einer exzellenten mathematischen und naturwissenschaftlichen Ausbildung." Und Schnabel stellt noch einen anderen Unterschied zu vielen Jugendlichen in Deutschland fest. "Der Ehrgeiz ist oft größer."

Doch nicht nur die Hamburger Schulpolitik schlägt Schnabel auf den Magen. Die Stadt gibt seiner Ansicht nach ihr knappes Geld für falsche Projekte aus. Die Elbphilharmonie nennt er ein "Milliardengrab". Das Vorhaben müsse sofort gestoppt werden. "Man muss auch mal erkennen, dass man einen Fehler gemacht hat", appelliert er an den Senat. Der solle das Geld lieber zum Schuldenabbau und zur Verbesserung der Sicherheitslage einsetzen.

Trotz der Schelte für die schwarz-grüne Regierung will Schnabel an Hamburg als Hauptsitz festhalten, ihn sogar ausbauen. Zwischen zwölf und 15 Millionen Euro nimmt das Unternehmen in die Hand, um die Zentrale in der Nordkanalstraße zu modernisieren. Sogar weitere Büroetagen in einem Nachbargebäude werden angemietet. "Hamburg bleibt unsere Heimat", endet Schnabel versöhnlich.