Verhärmt, allein und in tiefer Armut starb 1948 die Amerikanerin Anna Jarvis. Der unscheinbare Grabstein auf dem Armenfriedhof von Philadelphia erinnert nicht daran, dass hier eine Tochter aus einer der besten Familien Virginias begraben liegt.

Ihr Name wäre längst vergessen, wenn man sich nicht immer am zweiten Sonntag im Mai an sie erinnerte - als Urheberin des "Muttertages". Als ihre von ihr geliebte Mutter 1905 starb, war ihr größter Wunsch, einen Tag im Jahr einzuführen, um Müttern schon zu ihren Lebzeiten für ihre Liebe und Fürsorge zu danken.

Anna Jarvis begann eine der erfolgreichsten Briefkampagnen mit dem Ergebnis, dass US-Präsident Wilson 1914 ein Gesetz unterzeichnete, das den "Muttertag" einführte. Viele Länder, auch Deutschland, folgten.

Jedes Jahr aber gerät der Muttertag erneut ins Kreuzfeuer der Kritik. Die einen regen sich über die totale Vermarktung dieses Tages auf, andere sagen: Mütter brauchen keinen Danktag, dem 364 Undanktage folgen. Anna Jarvis selbst hat erbittert gegen die Kommerzialisierung des Muttertages gekämpft, prozessiert und ihr ganzes Vermögen dafür eingesetzt. Vergeblich. Ihr Anliegen aber lebt weiter. Im zwischenmenschlichen Bereich liegt so vieles im Argen. Ich bin sicher, dass sich wohl jede Mutter über ein noch so kleines liebevolles Zeichen der Aufmerksamkeit, einen Anruf, einen Besuch, ein wenig Zeit am Sonntag freuen würde. "Vier Kinder, vier Blumensträuß' heut. Doch ich bin ganz allein. Vier wunderschöne Sträuße. Ach, wären vier Kinder hier und ich nicht allein", schrieb mir nach einem Muttertag einmal eine 71-jährige Leserin.

Es grüßt Sie herzlich

Ihre

Renate Schneider