In der Buchbranche, dem Kunstmarkt und der Designwirtschaft sind zwei von drei Beschäftigten weiblich. Einige sind weltweit im Geschäft.

Hamburg. Am Schaufenster von Hilde Leiss hat sich schon manche Frau die Nase platt gedrückt. Sich vom Funkeln der ausgestellten Schmuckstücke blenden lassen: Ketten, perlenbestickt, aus Filz, Silber, Plastik oder mit Rohdiamanten besetzt. Armbänder, Broschen, Ringe, Gürtel, Keramik, mit Scheinwerfern professionell in Szene gesetzt. Hilde Leiss weiß, wie man Frauen betört. Sie ist eines der Urgesteine in der Hamburger Schmuckgalerieszene. "Ich liebe ausgefallene und besondere Stücke", sagt sie. "Eine solche Mischung findet man auch in Galerien in New York nicht." Die vielen Stammkundinnen danken es ihr.

Leiss ist nicht nur Goldschmiedemeisterin und Galeristin, sondern seit 30 Jahren auch selbstständige Unternehmerin und Chefin von mittlerweile sechs Angestellten. Sie ist Vertreterin der Kultur- und Kreativbranche, die in der Hansestadt laut einer aktuellen Studie im Auftrag der Stadtentwicklungsbehörde 15 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Dazu zählt die Handelskammer 13.800 Firmen, die in den Teilmärkten Film, Musik, Museum, Verlagswesen, Architektur, Design, Werbung und Computerspiele tätig sind.

Hamburg nimmt bei frauengeführten Unternehmen eine Spitzenposition ein

Kreative Frauen spielen in diesen Bereichen eine bedeutende Rolle, unter anderem auch im Chefsessel. Nach einem Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie liegt der bundesweite Frauenanteil bei der Gruppe der Selbstständigen in der Kreativwirtschaft zwischen 40 und 44 Prozent. Dieser Anteil sei sehr hoch, wenn man ihn mit Zahlen der Gesamtwirtschaft vergleicht.

"Kreativen Frauen gehört die Zukunft", sagt Gila Otto von der regionalen Gründerinnenberatung Frau und Arbeit. "Sie haben einen ganz großen Anteil an der Entwicklung der Kreativbranche." Jede zweite Existenzgründung erfolge durch eine Frau. Es gibt zwar keine Angaben, wie viele Hamburger Firmen in weiblicher Hand sind. Handelskammer-Geschäftsführerin Corinna Nienstedt betont aber, Hamburg habe beim Vergleich der Zahl frauengeführter Unternehmen in Deutschland eine Spitzenposition. "Das ist ein Kapital, mit dem wir wuchern müssen."

Viele der Kreativen aus der Hansestadt sind weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, zum Teil sogar global im Geschäft: Die Lichtplanerin Ulrike Brandi hat das Beleuchtungskonzept für die Elbphilharmonie, das British Museum und den Flughafen Shanghai entworfen. Die Designerinnen Nicola Eibich, Bettina Schoenbach oder Anna Fuchs machen Mode, mit der sich auch Persönlichkeiten wie Angela Merkel, Jon Bon Jovi oder Nena gern kleiden. Und Produzentin Katharina Trebitsch zählt zu den namhaften Größen der deutschen Filmbranche. Auch bei den Angestellten sind die Frauen in der hanseatischen Kreativwirtschaft überproportional vertreten: Rund 46 Prozent der 54 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten der Branche sind weiblich, wie das Statistikamt Nord für das Jahr 2009 angibt.

Besonders stark und mit steigender Tendenz, mittlerweile mit 73 Prozent, sind die Frauen im Buchmarkt vertreten. In den Bereichen Kunst und Design sind zwei von drei Beschäftigten weiblich, in der Werbung, Architektur und Presse mehr als die Hälfte. In der Software- und Spieleindustrie hingegen ist nur jede vierte Stelle von einer Frau besetzt. Allerdings arbeiten sich die Damen auch hier vor: Im Jahr 2009 besetzten Spieleentwicklerinnen 300 neue Stellen.

Frauen holen in traditionellen Männerberufen auf

Es kann sogar ein Vorteil sein, sich in einer Männerdomäne zu bewegen. Diese Erfahrung hat zumindest Petra Thelen gemacht. Als die Musikerin vor 20 Jahren begann, Saxofon zu unterrichten, stieß sie in eine Marktlücke: In ganz Hamburg gab es damals nur eine einzige Lehrerin für das Blasinstrument im Jazzbereich. Umso besser für Thelens Marktwert. "Ich hatte innerhalb kurzer Zeit 20 Schüler", sagt sie.

Vor zehn Jahren wurde aus der Saxofonlehrerin dann auch eine Unternehmerin. In einer ehemaligen Seifenfabrik am Vogteiweg gründete Thelen ihre Musikschule. In hellen, luftigen Räumen lernen dort derzeit 25 erwachsene Schüler die Kunst des Saxofonspielens. "Es heißt ja immer, von der Musik könne man nur schwer leben", sagt Thelen. "Ich kann das nicht bestätigen." Sie rechnet weiter mit stetigen Einnahmen: "Durch Krise und Globalisierung fühlen sich viele Menschen bedroht - die Musik kann ihnen Halt und Ruhe geben."

Das soll künftig auch die Devise für Hamburg sein. Im vergangenen Sommer beschloss der Senat, das kreative Potenzial in der Stadt zu stärken. Sein Werkzeug: die Hamburg Kreativ Gesellschaft, die als Schnittstelle zwischen Verbänden, Unternehmen und Beschäftigten das Branchenwachstum fördern soll. Beratung, Vernetzung, Information, Qualifizierung, auch speziell für Frauen - all das sind Aufgaben für den aus Mannheim angeworbenen Geschäftsführer Egbert Rühl. Drei Millionen Euro stellt die Stadt für die Maßnahmen bis 2011 zur Verfügung. "Wir wollen noch in diesem Jahr einen Branchentreff organisieren", sagt Rühl, der gerade seine neuen Büroräume an der Hongkongstraße in der HafenCity bezieht. Die meisten Kandidaten für seinen zukünftigen Stab von fünf Mitarbeitern hat er bereits ausgewählt. Bislang ist nur ein Mann dabei.

Ähnlich hat auch Galeristin Hilde Leiss jahrzehntelang ihre Personalpolitik betrieben. "Ich habe immer lieber Frauen eine Chance gegeben", sagt sie. Ihre persönliche Bilanz: In 30 Berufsjahren hat sie einen Lehrling zum Goldschmied ausgebildet. Und 44 Auszubildende zur Goldschmiedin.