Adarsha Kanchana von der TU Harburg wurde unter 200 Preisträgern ausgewählt. Für ein Gespräch im Kanzleramt war aber keine Zeit.

Hamburg. Gern hätte Adarsha Kanchana, 29, gestern Nachmittag ein paar Takte mit der Kanzlerin geredet. "Ich wollte Frau Merkel zu dem technischen Fortschritt in Deutschland gratulieren und ihr vorschlagen, dass Indien und das 'Land der Ideen' noch besser zusammenarbeiten für bessere Technologien und für eine bessere Welt", sagt der Absolvent der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH).

Aber für ein Gespräch mit Angela Merkel im Bundeskanzleramt in Berlin war keine Zeit. "Ich muss zu einem wichtigen Meeting und einem TV-Interview", sagte die mächtigste Frau im Land. So blieb es bei einem Gruppenbild mit Kanzlerin plus Händedruck. Und einem sehr guten Gefühl für den Mann aus Südindien, der seit zweieinhalb Jahren auf dem Campus der TUHH in Harburg lebt und studiert: Denn er gehörte am Donnerstag zu einem exklusiven Kreis von 20 ausländischen Uni-Absolventen, die von der Bundeskanzlerin in Berlin empfangen wurden. Nach der Kurzvisite bei Angela Merkel diskutierten die Akademiker mit dem stellvertretenden außenpolitischen Berater der Kanzlerin, Rolf Nikel.

Adarsha Kanchana war unter 200 Preisträgern des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) des Jahres 2009 für den Besuch in der Hauptstadt ausgewählt worden. Mit dem DAAD-Preis werden ausländische Studenten für ihre akademischen und sozialen Leistungen ausgezeichnet. Binnen zwei Jahren hat Adarsha Kanchana in Harburg einen Master in Mikroelektronik und Mikrosysteme an der TUHH sowie einen Master of Business Administration in "Technology Management" am Northern Institute of Technology Management (NIT) absolviert - mit den Noten 1,6 und 1,8. In seiner Masterarbeit untersucht er eine Lichtsparmethode für Speichereinheiten in Computern. "Jetzt möchte ich die Arbeit veröffentlichen und dann zwei Jahre in Deutschland arbeiten und promovieren", sagt der Inder.

Adarsha Kanchana stammt aus der 50.000-Einwohner-Stadt Puttur im südindischen Bundesstaat Karnataka. Nach dem Abitur studierte er im südindischen Mysore Elektrotechnik. Danach hat er fünf Jahre als Elektrosystementwickler für die Robert Bosch GmbH in Bangalore gearbeitet, insgesamt zehn Monate verbrachte er in Stuttgart. An Harburg reizte ihn das Doppelstudium im technischen und im Management-Bereich. "Obwohl das hart war: vormittags und nachmittags Vorlesungen an der TUHH sowie abends und am Wochenende am NIT - das war eine große Herausforderung für mich".

Trotz des Doppelstudiums fand Adarsha Kanchana noch Zeit für soziales Engagement: Er absolvierte ein Praktikum in einem Haus für Flüchtlinge und Obdachlose. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der "Indian Students Association" an der TUHH, die auch Geld für die Schulausbildung von Slumkindern in Neu Delhi sammelt. Und er hob gemeinsam mit seinem Vater, einem Lehrer im Ruhestand, die Kanchana Foundation aus der Taufe und vermachte ihr sein DAAD-Preisgeld von 1000 Euro. "Unsere Stiftung wird eine Dorfschule in meiner Heimat mit Computern und Büchern unterstützen", sagt der 29-Jährige.

Ruhe und Ausgleich findet er abends bei Spaziergängen auf dem Schwarzenberg in Harburg. "Dort kann ich aus meiner technisch-akademischen Wirtschaftswelt flüchten", sagt Kanchana. Er schreibt Gedichte, fotografiert und malt. Entspannung findet er auch, wenn er Keyboard und die indische Flöte Kolalu spielt. Gemeinsam mit einem Freund komponiert er indische Musik mit westlichem Einfluss.

"Hamburg", sagt er Inder, "ist eine sehr dynamische Stadt, hier kommen Menschen aus der ganzen Welt her". Seine Lieblingsplätze sind Finkenwerder, wenn der A380 abhebt, und der Hafen, wenn die "Queen Mary" einläuft. Sein Stipendium in Höhe von 27 000 Euro, das die Firma Brose Fahrzeugteile in Coburg finanziert hat, will Adarsha Kanchana übrigens voll zurückzahlen: "An arme Kinder in Indien. Wenn ich die nicht unterstütze, blockiere ich deren Zukunft. Wenn ich helfe, können sie auch studieren und wiederum Kinder unterstützen. Das ist Nachhaltigkeit."