Hamburg. Pascal K., 33, schreibt eifrig in sein Notizblock, er starrt sich förmlich hinein in die Kladde, als wäre da eine Falltür, durch die man mal eben aus dem Gerichtssaal verschwinden könnte. Gerade wird dort die Tonaufzeichnung eines Gesprächs zwischen einem Missbrauchsopfer und einer Psychologin abgespielt. Und wie er so Protokoll führt, hört er plötzlich die helle Stimme seiner Tochter. "Erzähl mal, wie war das damals mit Papi?", fragt die Psychologin. Und die damals Sechsjährige erzählt: Wie sie sich vor Papa ausziehen musste, wie er sich oral an ihr verging und sie penetrierte - und wie Mama danebenstand und Fotos machte.

Der untersetzte Mann im grauen Anzug könnte seiner Tochter eine Aussage vor Gericht ersparen, wenn er gestehen würde. Er tut es aber nicht, obgleich seine Ex-Frau ihn schwer belastet. Bei einem weiteren Schweigen sieht der Vorsitzende Richter schon "großes Unheil" dräuen. "Was den sexuellen Missbrauch angeht", sagt indes Pascal K., "lügt meine Tochter."

Sie waren mal verheiratet, er und Alexandra B. Im Gerichtssaal sitzen sie einen Tisch voneinander entfernt. Die 31 Jahre alte Frau nennt ihn nur noch "Herr K.". Angeklagt sind sie beide, weil sie sich zwischen 2002 und 2006 achtmal an ihren zwei Töchtern vergangen haben sollen. Beim ersten Übergriff war Eileen sechs Monate alt, die 2005 geborene Tochter Lara erst drei Monate. Auch sie habe sich an den Schandtaten beteiligt, sagt Alexandra B. leise. Meist habe sie fotografiert, wenn ihr Mann sich an den Kindern verging. Erst im August 2007 zeigte Alexandra B. sich und ihn bei der Polizei an. "Ich wollte einfach, dass alles vorbei ist", sagt sie. Als Bonus darf sie ihre Kinder, die nun bei einer Pflegefamilie leben, alle drei Wochen unter Aufsicht sehen.

An 15 Übergriffe auf beide Töchter erinnere sie sich - Eileen hingegen erwähnte gegenüber der Psychologin, das sei fast täglich vorgekommen. Erzwungenen Oralverkehr, unsittliche Berührungen im Intimbereich, sogar Penetrationen hätten die Kinder über sich ergehen lassen müssen.

Ein gewisser Michael W., mit dem sie seit 1999 per E-Mail in Kontakt steht, habe ihr geraten, den Missbrauch zuzulassen, sagt sie. Sie hörte auf ihn, ohne ihn je getroffen zu haben. "Er meinte, mein Mann und ich müssten an dem Kind etwas gesteuert stattfinden lassen, sonst würde sich mein Mann an der Kleinen vergreifen", sagt Alexandra B. Dieser Logik folgend missbrauchte sie ihre Töchter mit ihrem Mann, um sie vor Missbrauch durch ihren Mann allein zu schützen. Bis 2006 blieb ihr virtueller Freund ein zentraler Ratgeber. Beim Befummeln der Kinder solle sie Pascal K. Leidenschaft vorgaukeln, hieß es mal. Dann riet er zu Sadomaso-Spielchen. Stets waren auch den Übergriffen auf die Kinder E-Mails von Michael W. vorangegangen. "Es wäre mal wieder an der Zeit, schrieb er dann, mein Mann sei noch immer eine Gefahr für die Kinder", sagt Alexandra B. "Kamen Sie denn nie auf den Gedanken, dass hinter Michael W. Ihr Mann stecken könnte?", fragt der Vorsitzende Richter verwundert. "Das hat er immer abgestritten", sagt die Angeklagte.

Eileen, heute acht Jahre alt, wird am Donnerstag aussagen. In einem kleinen Raum, vor einer Kamera. Ihre Eltern werden nicht dabei sein. Ansonsten, fürchtet ihr Therapeut, könnte es zu einer "Reaktivierung des Traumas" kommen.