In einer E-Mail alarmierte die 15-Jährige ihren Hamburger Lehrer

Ein 15-jähriges Mädchen aus Stellingen sollte am Sonnabend in Berlin offenbar zwangsverheiratet werden. Die Schülerin mit serbischer Staatsangehörigkeit sei in der Nacht zu Dienstag "in die Wohnung ihres vorbestimmten Ehemannes verschleppt worden", berichtet der NDR. Bei dem Ehemann soll es sich um einen 19 Jahre alten Serben aus Berlin handeln. Aus der Wohnung des jungen Mannes hatte sich das Mädchen in einer E-Mail an ihren Lehrer gewandt. "Ich komme hier nicht weg, ich werde eingeschlossen", soll in der Nachricht gestanden haben. Außerdem habe sie darin Hinweise auf ihren Aufenthaltsort gegeben.

Als das Mädchen danach nicht in der Schule erschien, alarmierte der Lehrer die Polizei. Daraufhin stimmten sich die Hamburger Polizisten mit den Berliner Kollegen ab. Ein Polizeisprecher bestätigte, Berliner Beamte hätten die Schülerin am Mittwoch beim vorbestimmten Ehemann angetroffen. Das Mädchen sei wohlauf gewesen und dem Jugendnotdienst übergeben worden. Inzwischen ist die 15-Jährige wieder in Stellingen bei ihrer Familie.

Die Mutter soll von der Zwangsheirat Abstand genommen haben. Die Polizei ermittelt aber wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. "Ziel des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ist es, zu klären, welche Tatbestände zutreffen", sagte ein Sprecher der Hamburger Polizei. Nun sei es Aufgabe des Hamburger Jugendamts, die Verhältnisse in der Familie zu prüfen.

Das Schicksal des Mädchens ist kein Einzelfall. Rund 200 Frauen haben sich 2009 an die beiden behördlichen Beratungsstellen i.bera und LALE in Hamburg gewandt, weil sie von häuslicher Gewalt betroffen sind. In 74 Fällen waren sie von Zwangsheirat bedroht oder litten bereits seit Jahren darunter.

Die Stadt hat auf diese alarmierenden Zahlen reagiert. Um das Hilfsangebot zu erweitern, wurde im Januar dieses Jahres eine erste anonyme Schutzeinrichtung eröffnet, die sich vor allem an Mädchen zwischen 14 und 21 Jahren wendet. Finanziert wird "Zuflucht" von der Sozialbehörde. Sie kann bis zu sechs Betroffene aufnehmen.

In Deutschland sind meist Frauen mit Migrationshintergrund von Zwangsheirat betroffen. Laut einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums unter 143 türkischen Migrantinnen kannten 25 Prozent ihren Partner vor der Heirat nicht. Bei 50 Prozent wurde er von Verwandten gewählt, 17 Prozent gaben an, zur Ehe gezwungen worden zu sein. Neben Türkinnen sind Frauen aus Afghanistan, dem Iran sowie Roma und Sinti betroffen.