Harburg. Am Anfang hielt die Angst sie noch wach. Die Furcht, dass der Schwindel auffliegen könnte, und das schlechte Gewissen, das beharrlich an ihr nagte und sie nicht zur Ruhe kommen ließ. Doch mit der Zeit fielen alle Hemmungen, es war fast schon zu einfach, um wahr zu sein. Mehr als ein Jahr lang zweigte Monika F. (Name geändert) als Angestellte eines Versandhandels immer wieder teils hochwertige Elektronikartikel ab und schickte sie an ihre Adresse, um sie später zu verkaufen und so Kapital daraus zu schlagen. Auch ihre Kollegin Elke K. verfiel eines Tages darauf, mit diesem illegalen Trick ihre finanzielle Situation aufzubessern. Insgesamt 14 Monate hatten die beiden 61 und 51 Jahre alten Frauen offenbar nach Belieben schalten und walten können, bis die unlauteren Machenschaften aufgedeckt wurden.

Doch jetzt ist Schluss. Mit dem so spielend leicht ergaunerten Geld, mit dem einst sicheren Arbeitsplatz - und mit dem unbeschwerten Leben. Die Last ihrer Taten scheint die beiden Hamburgerinnen gleichsam niederzudrücken, wie sie da jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht sitzen, grauhaarige, müde und zerknirschte Frauen, mit hängenden Schultern und Gesichtern. Es waren kleine Angestellte mit sehr übersichtlichen Gehältern, für die offenbar die Verlockung zu groß war. Unterschlagung in 149 Fällen wird den Angeklagten vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft zweigten Monika F. und Elke K., als langjährige Mitarbeiterinnen der Firma in einer besonderen Vertrauensstellung, immer wieder Elektroartikel ab. Unter anderem verschwanden Spielekonsolen, Navigationsgeräte, Digitalkameras, iPods, Mikrowellengeräte, Hochdruckreiniger, DVD-Player und Laptops aus dem Bestand der Firma. Die Artikel sollen sie als Kundenretouren nicht wie vorgeschrieben in den Lagerbestand zurückgebucht, sondern neu verpackt und dann an die Adresse von Monika F. versandt haben. Der Gesamtwert der abhanden gekommenen Geräte beträgt mehr als 73 000 Euro.

Die 61-Jährige seufzt, das Reden fällt ihr schwer. Grundsätzlich sei es wohl wahr, dass sie viele Dinge unterschlagen haben, gesteht sie mit belegter Stimme ihre Taten. Ein spezieller Lieferschein, in dessen Besitz sie durch ein Versehen gekommen sei, habe den Betrug ermöglicht. "Aber was da aufgelistet ist, diese ganzen Waren, das stimmt so nicht. Eine Mikrowelle oder einen Hochdruckreiniger habe ich nie in der Hand gehabt", stammelt die Angeklagte. Geräte im Wert von etwa 10 000 Euro seien es wohl gewesen. "Die habe ich dann auf dem Flohmarkt verkauft."

Seit sie in Altersteilzeit arbeitete, sei sie auch mal krank gewesen. "Es gab einen finanziellen Engpass, es kam irgendwie nicht mehr hin", begründet sie ihre Taten. Auch ihre zehn Jahre jüngere Kollegin, die genau wie sie 16 Jahre für den Versandhandel tätig war, sei in der Bredouille gewesen. "Sie weinte, weil sie Schulden hatte." Deshalb habe sie ihr den Tipp gegeben, wie sie ihre Finanzen aufbessern könne. "Wir haben Mist gebaut und müssen dafür geradestehen", ergänzt Elke K. schluchzend. "Aber nicht für das, was andere unterschlagen haben. Es gab damals mehrere, die sich bedient haben!" Ihr Verteidiger entwirft sogar ein Szenario der kollektiven Hemmungslosigkeit: "Es war ein Chaos, jeder hat zugegriffen", souffliert er. Überhaupt sei der tatsächliche Schaden für die Firma noch bedeutend geringer als aufgelistet, betonen die angeklagten Frauen. Schließlich wären viele der Retouren sowieso in den Personalverkauf gelangt, wo Mitarbeiter sie zu einem Bruchteil ihres Wertes erstehen könnten.

Tatsächlich betragen die Preise im Personaleinkauf "etwa zehn bis 20 Prozent des Wertes", bestätigt ein verantwortlicher Mitarbeiter des Versandhandels als Zeuge. Allerdings seien üblicherweise längst nicht alle Retouren dafür vorgesehen. Ob sämtliche abgezweigten Elektroartikel eindeutig zulasten der Angeklagten gehen, könne er nicht nachvollziehen. "Wenn auch andere etwas beiseitegebracht hätten, wäre das für uns nicht zu trennen gewesen." In der Tat sei es "jahrelang nicht bemerkt worden, dass Waren verschwanden", erklärt der Zeuge mit sichtbarem Unbehagen.

Zugunsten der Angeklagten müsse wohl davon ausgegangen werden, dass der tatsächliche Schaden nur einen Bruchteil der 73 000 Euro betrage, fasst die Amtsrichterin zusammen. 15 Monate Haft verhängt die Richterin für Monika F., ihre Kollegin Elke K., die deutlich später in den Betrug einstieg, wird zu zehn Monaten verurteilt. Beide Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt. Der Schaden habe jedenfalls "nicht nur einen kleinen Umfang" gehabt, erläutert die Richterin ihre Entscheidung. Allein im letzten Paket seien Waren im Wert von rund 1500 Euro gewesen. "Der Arbeitgeber hat es Ihnen zwar relativ leicht gemacht. Aber wem soll man denn noch vertrauen, wenn nicht langjährigen Mitarbeitern?"