Hamburg. Wenn ein Tier abends oder am Wochenende Hilfe braucht, müssen Halter oft quer durch die Stadt. Was Tierärzte zu dem Vorstoß sagen.

Der Tag der Deutschen Einheit, sagt Julia Strelow, wäre gut gewesen, um mit einem verletzten Tier den tierärztlichen Notdienst anzufahren. „An dem Tag hatte ein Tierarzt in der HafenCity Notdienst“, so die Hundehalterin aus Bahrenfeld. An anderen Tagen müssen Tierhalter mit Hund, Katze und Co. auch schon mal quer durch die Stadt. Unzumutbar findet Julia Strelow und hat eine Online-Petition gestartet, mit dem Ziel, den tierärztlichen Notdienst in Hamburg zu verbessern.

Denn: „Die Versorgung außerhalb der Sprechzeiten von Tierärzten ist in Hamburg grottenschlecht“, sagt die 60-Jährige. Erst vor Kurzem hätten ihre Nachbarn mit ihrer verletzten Hündin an einem Sonntag nach Norderstedt in die Tierklinik fahren müssen. Sie war von einem anderen Hund angegriffen und verletzt worden. „Weil die beiden kein Auto haben, sind sie mit dem Taxi gefahren, das hat um die 70 Euro gekostet“, berichtet Julia Strelow.

Hund in Hamburg: Im Notfall müssen Tierhalter abends und am Wochenende quer durch die Stadt

„Gerade Hunde werden oft zu Notfällen, auch nachts und am Wochenende, wenn zum Beispiel ein Halter seinen Hund nicht im Griff hat, dieser sich losreißt und grundlos einen anderen attackiert. Darüber hinaus kann es bei Hunden auch jederzeit zu Magendrehungen oder Darmverschlüssen kommen, und dann zählt quasi jede Minute“, schreibt die frühere Fotoredakteurin in ihrer Petition mit dem Titel Tierärztliche Notversorgung in Hamburg verbessern. Bislang haben 398 Menschen unterzeichnet.

Passiert dies außerhalb der Sprechzeiten, gibt es derzeit nur zwei Möglichkeiten: Der verletzte Hund muss entweder nach Norderstedt in die Tierklinik nach Schleswig-Holstein oder zu der Hamburger Tierarztpraxis, die dann Notdienst hat. „Das ist jeweils nur eine, und die kann dann auch in Bergedorf sein.“ Das ist zumindest von Bahrenfeld aus ein sehr weiter Weg, die Fahrt dauert lange.

„Wie kann es in einer Millionenstadt wie Hamburg sein, dass es im Notfall keine oder kaum eine ärztliche Versorgung von Kleintieren gibt, die sich im Stadtgebiet befindet?“, fragt sich die Halterin von zwei Hunden. „Für Menschen gibt es immerhin neben diversen Krankenhausambulanzen auch zwei dauerhafte Notfallpraxen – in Altona und Farmsen. Zumindest etwas Ähnliches sollte auch den Tieren und deren Haltern gegönnt werden.“

Tierärztliche Notfallversorgung in Hamburg: Hundehalterin fordert zwei Tierkliniken in der Stadt

Ihre Forderung: Die tierärztliche Notfallversorgung muss dringend verbessert werden. Eine Praxis für mehr als 100.000 Hunde und mehr als 120.000 Katzen in der Stadt sei zu wenig. In einem so großen Stadtgebiet sei es nicht ausreichend und zumutbar, dass Entfernungen von 20 Kilometern oder mehr zurückgelegt werden müssen, um ein verletztes Tier behandeln lassen zu können.

„Dieses mehr als mangelhafte Angebot an Notdiensten steht Hamburg schlecht zu Gesicht und ist eine Zumutung für alle Tierhalter. Im Zweifelsfall tödlich. Das ist nicht länger hinnehmbar!“

Mehr als fünf Millionen Euro Hundesteuer pro Jahr nimmt Hamburg ein. „Weshalb das nicht verwenden, um mindestens zwei Notfallpraxen für Tiere zu etablieren?“, fragt sich Julia Strelow.

Tiermediziner haben feste Arbeitszeiten, ein Notdienst kostet Personal und viel Geld

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Denn ein tierärztlicher Notdienst kostet Geld und Personal. Und auch für Tierärzte gilt die gesetzliche Arbeitszeitregelung. „Früher waren viel mehr Tierärzte selbstständig und haben so lange gearbeitet wie erforderlich“, sagt Christina Bertram, Vizepräsidentin der Tierärztekammer Hamburg.

„Heute sind die meisten Tiermediziner angestellt, für diese gelten Arbeitszeiten.“ Für jeden Notdienst haben Tierärzte und Tiermedizinische Fachangestellte das Recht auf einen anschließenden freien Tag. Ein Notdienst erfordert Medikamente vor Ort, OP-Utensilien und eben qualifiziertes Personal. „Und das muss finanziert werden“, so Bertram.

Tierärztlicher Notdienst lohnt sich häufig wirtschaftlich nicht

Susanne Elsner, Vorsitzende der Hamburger Tierärztekammer mit Praxis in Hamburg-Rotherbaum, sagt es ganz deutlich: „Wenn es betriebswirtschaftlich attraktiv wäre, Notdienst zu machen, steht es jeder Praxis in Hamburg frei, einen Notdienst anzubieten. Es rechnet sich aber betriebswirtschaftlich nicht.“

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Überhaupt liege Hamburg im Bundesvergleich weit vorn mit dem tierärztlichen Notdienst in der derzeitigen Form. Andere Bundesländer ahmen den Hamburger Weg inzwischen nach. Dieser funktioniert so: Sämtliche Tierarztpraxen müssen verpflichtend regelmäßig einen Notdienst in der Nacht und am Wochenende übernehmen, über die Telefonnummer 43 43 79 erfährt jeder Tierhalter, welcher Tiermediziner wann Notdienst hat.

Hund in Hamburg: In anderen Städten haben Halter im Notfall längere Wege

„Auch wenn ein Rissener dann mal nach Bergedorf fahren muss, so leben wir in Hamburg dennoch im Tal der Glückseligen“, sagt Tierärztin Bertram. „Man hat immer eine Option, einen Tierarzt nicht allzu weit entfernt zu erreichen. In anderen Bundesländern liegen die Praxen manchmal 60 oder 70 Kilometer voneinander entfernt, in Dänemark sind es auch schon einmal 100 oder 200 Kilometer.“ Es ist also alles eine Frage der Perspektive.

Die Tierärztekammer Hamburg ist zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Anders als in der Petition dargestellt, wird sie aber keinesfalls von Bund und Ländern und der Kommune finanziert. „Wir arbeiten alle ehrenamtlich und finanzieren uns über die Beiträge unserer Mitglieder“, so Christina Bertram. Ende 2022 waren in der Kammer 622 Mitglieder gemeldet. Fast die Hälfte der Hamburger Tierärztinnen und Tierärzte arbeitet in einer der 127 Tierarztpraxen.

Auch wenn Christina Bertram Hamburgs Tierhalter verstehen kann, die sich über teils weite Wege in der Not ärgern, seien weitere Tierkliniken reines Wunschdenken.