Hamburg. Der Junge war von einem Lkw beim Abbiegen erfasst worden. Zahlreiche Menschen setzten nun ein Zeichen nach dem tödlichen Unfall.

Mit einer Mahnwache ist am Sonnabend des 15-Jährigen gedacht worden, der am Dienstag an der Osdorfer Landstraße im Stadtteil Groß Flottbek ums Leben gekommen war. Ein Lkw hatte den Jugendlichen erfasst, als das schwere Fahrzeug auf einen Parkplatz einbog.

Mehr als 200 Menschen waren um 14 Uhr an den Ort gekommen, wo vor wenigen Tagen der schreckliche Unfall passierte. Sie legten Blumen und Kränze nieder und zündeten Kerzen an, um an den Jugendlichen zu erinnern. Auch ein weiß lackiertes Fahrrad, ein sogenanntes Ghostbike, wurde zum Gedenken an den 15-Jährigen aufgestellt.

Tödlicher Unfall Groß Flottbek: Berührende Mahnwache – Trauer um 15-Jährigen

Zahlreiche Teilnehmer waren mit dem Fahrrad gekommen. Symbolisch legten sich die Anwesenden gemeinsam mitten auf die Straße, neben ihnen lagen die Räder auf dem Asphalt. Anschließend beteten sie das „Vater unser“. Initiiert wurde die Mahnwache vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC).

„Wir empfinden große Trauer und sind zutiefst geschockt darüber, dass in diesem Jahr das Leben von bereits drei Radfahrenden in Hamburg durch rechts abbiegende Lkw-Fahrer ausgelöscht wurde“, sagt Thomas Lütke vom ADFC. „Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen, Freundinnen und Freunden des Opfers.”

Auch ein sogenanntes weiß lackiertes Ghostbike wurde aufgestellt. Es wurde an ein Verkehrsschild am Unfallort angeschlossen.
Auch ein sogenanntes weiß lackiertes Ghostbike wurde aufgestellt. Es wurde an ein Verkehrsschild am Unfallort angeschlossen. © Michael Arning | Michael Arning

Groß Flottbek: Junge (15) bei Unfall getötet – ADFC erhebt Vorwürfe

Im Zusammenhang mit dem Unfall erhebt Lütke außerdem schwere Vorwürfe und spricht von „Versagen von Senat und Polizei“, die der Sicherheit von „Fußgängern und Radfahrern keine Priorität einräumen“ würden. „So bleibt die vom Senat angestrebte Vision Zero, also keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr, ein leeres Versprechen“, sagt Lütke.

Er fordert unter anderem, dass Lastwagen, die nicht mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet sind, ab sofort nur noch mit Beifahrer durch Hamburg fahren dürfen und alle mehrspurigen Hauptstraßen mit einer sogenannten Protected Bike Lane, einem auch baulich abgegrenzten Radfahrstreifen, ausgestattet werden.

Das Unfallgeschehen vom Dienstagnachmittag wurde tags darauf von Experten nachgestellt. Die Ergebnisse sollen in die Unfallforschung einfließen.
Das Unfallgeschehen vom Dienstagnachmittag wurde tags darauf von Experten nachgestellt. Die Ergebnisse sollen in die Unfallforschung einfließen. © Michael Arning | Michael Arning

Tödlicher Unfall – Polizeigewerkschaft weist Vorwürfe des ADFC zurück

Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), weist die Vorwürfe gegen die Polizei zurück. „Die Polizei kann nicht für jedes Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern, auch wenn es so schreckliche Folgen wie in Flottbek hat, verantwortlich gemacht werden“, sagt Jungfer. Eine „Vision Zero“ hält er für völlig unrealistisch.

„Visionen kann man haben. Will man keine Toten und sogar keine schwer Verletzten im Straßenverkehr, müsste man nicht nur den Lastwagenverkehr, sondern jeglichen Fahrzeugverkehr – inklusive Fahrräder und E-Scooter und öffentlichen Nahverkehr – unterbinden“, sagt er.

Lkw ohne Abbiegeassistenten nur mit Beifahrer? Für ADAC nicht praktikabel

Auch Christian Hieff vom ADAC Hansa hält die Forderungen des ADFC nicht für zielführend. „Selbst wenn man solche Bike Lanes einrichtet, müssen Lastwagen oder andere Fahrzeuge, die nach rechts abbiegen wollen, diese Fahrradstreifen überqueren. Damit bleibt das Problem voll und ganz bestehen.“

Dass Lastwagen ohne Abbiegeassistenten nur mit Beifahrer auf Hamburgs Straßen fahren dürfen, hält er schon angesichts der Personalknappheit nicht für praktikabel. „Ich wüsste jetzt auch nicht, auf welcher rechtlichen Grundlage so etwas eingeführt werden könnte“, so Hieff.

In Hamburg kamen in diesem Jahr drei Fahrradfahrer bei Abbiege-Unfällen ums Leben. In allen Fällen waren sie von Lastwagen erfasst worden. Bei vier weiteren Verkehrsunfällen starben Radfahrer, ohne dass andere Fahrzeuge beteiligt waren. In Hamburg gab es im ersten Halbjahr 2023 genau 2003 Verkehrsunfälle mit Radfahrerbeteiligung. In 1058 Fällen war es ein Unfall zwischen einem Radfahrer und einem Pkw.