Altona. Der Wahl-Hamburger macht Kaffee und unterhält dabei sein Publikum. Inzwischen hat er eine riesige Fangemeinde – und 80.000 Follower.

Es gibt Menschen, die jeden Griesgram sofort in ein Grinsebäckchen verwandeln und auch nachhaltig ein wohlig-warmes Gefühl hinterlassen. Wenn ein solcher Mensch dann auch noch ein cooler Kerl ist, leckeren Kaffee macht und gut singt – dann würde jede Dating-Show wohl um ihn als Kandidat kämpfen. Zum Glück ist Chase‘ große Liebe die Musik: Der singende Barista aus Ottensen ist eine kleine Berühmtheit, und das aus gutem Grund.

Hamburg-Altona: Singender Barista Chase macht Kaffee und singt dabei

„Du musst sagen, wie weit ich ausholen soll – ich kann dich jetzt auch totlabern,“ warnt er zu Beginn des Gesprächs. Vor ihm steht ein Cappuccino wie aus dem Bilderbuch, die aufgeschäumte Milch bildet eine weiße Blüte auf bräunlichem Grund. Von ihm zuvor selbst gemacht, versteht sich.

Während er an der Siebträgermaschine im Codos-Café in der Bahrenfelder Straße hantierte, entfaltete er sein Gesangstalent: „You Raise me Up“ von Josh Groban singt er aus vollem Herzen, seine Augen schließen sich beim Refrain. „Das sieht vielleicht einfach aus – aber das ist es nicht“, stellt Chase klar.

Chase: „Kaffee ist für mich Pause“

Der Wahl-Hamburger kommt eigentlich aus Lübeck: Während seines Masterstudiums in Medienkonzeption und Marketing in Kiel hat er nebenbei schon in der Gastronomie gearbeitet. Als er für seinen Vollzeit-Job als Unternehmensberater nach Hamburg zog, wollte er schnell Fuß fassen. „Der Vibe in dem Codos-Café war einfach total cool, ich wollte gerne mit den Leuten hier befreundet sein. Deswegen wollte ich hier arbeiten.“ Das ist nun drei Jahre her, seitdem arbeitet Chase jeden Sonntag von 8 bis 12 Uhr im Café.

Der singende Barista Chase im Café CODOS Coffee an der Bahrenfelder Straße in Ottensen.
Der singende Barista Chase im Café CODOS Coffee an der Bahrenfelder Straße in Ottensen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

„Kaffee ist für mich Pause, mal ´ne Auszeit, kurz plaudern, runterfahren. Und das ist Musik für mich auch.“ Die Kombination aus Kaffee und Musik ist für ihn kreativ erfüllend. Zudem bringe es Leute zusammen: Während des Lockdowns beispielsweise standen einige bis zu 20 Minuten an, um auf einen Kaffee zu warten. Doch statt ungeduldig und frustriert zu werden, kamen die Menschen mit Mitwartenden ins Gespräch, gönnten sich eine Pause. „Kaffee erreicht die Leute auf gleiche Weise, wie es auch Musik tut: Es ist null negativ belastet,“ erklärt Chase.

Altona: Eine Bloggerin hat den Barista auf Instagram entdeckt

Musik sei schon immer ein Teil seines Lebens gewesen, seine große Leidenschaft – „super klischeehaft“, wie er selbst zugeben muss. Wann und wie das angefangen habe, wisse er selbst nicht mehr. Nur: „Ich singe immer – es gibt keine Minute, wo ich nicht singe. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich irgendwann auch hinter der Kaffeemaschine singe.“

Eine seiner Kolleginnen sei auf die Idee gekommen, ein Reel für Social Media zu drehen. Die Bloggerin Denise Verst habe das kurze Video entdeckt und auf ihrem Account „mathellaslife“ gepostet. Das war im Oktober 2022. „Und dann Boom“, erklärt Chase. „Davor kannte mich niemand“ – heute hat er stolze 80.000 Follower auf Instagram.

Chase kümmert sich um seine Fans: Er beantwortet jede Nachricht

Nun habe er bereits Kooperationsanfragen von Kaffee-Marken und aus der Musik-Branche erhalten. Was für ihn aber die größte Bedeutung habe: Das Echo seiner Fans, das „krasse positive Feedback“, wie er selbst sagt. Die Reaktionen sind für Chase unglaublich: „Die Leute bedanken sich für meine Existenz: Danke, dass du deine Stimme mit uns teilst, uns jeden Tag den Alltag versüßt. Aber ich mach gar nichts“, beteuert er. Doch Chase kümmert sich um seine Fans: Er antworte auf jede einzelne Nachricht.

Was macht dieser rasante Erfolg mit einem? „Für mich hat sich nichts geändert“ – auch er habe sich nicht geändert. Er ist froh darüber, eine Nische gefunden zu haben, in der er er selbst bleiben kann. „Ich kann einfach singen, Kaffee machen, und die Leute lieben es – das größte Geschenk, was man haben kann.“

Chase‘ Bewerbung beim ESC war leider nicht erfolgreich

Für Deutschland auf der Bühne stehen – das hätte sich Chase gut vorstellen können. Seine Bewerbung zum diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) war jedoch nicht erfolgreich. Für ihn kein Grund, enttäuscht zu sein, im Gegenteil. Seine Fangemeinschaft habe ihn massiv unterstützt: „Dadurch sind wir zusammengewachsen.“ Und Missgunst hat bei ihm er rechte keinen Platz: Er drückt den deutschen ESC-Vertretern „Lord oft he Lost“ die Daumen.

Chase wirkt zwar wie ein dauerfröhlicher Flummi, strotzend vor Energie – doch das sei nicht immer so. „Wenn ich traurig bin, dann richtig.“ Doch auch seiner Traurigkeit kann er etwas abgewinnen: Seine Songs schreibe er in seinen schwächsten Momenten. Dann verbringt er viel Zeit allein, aber auch mit Menschen, die ihm Stabilität geben. „Ich gebe, gebe und gebe – aber irgendwann muss ich meine Batterie auch wieder aufladen.“

Seine Fans reisen aus ganz Deutschland an

Seine Fans kommen aus ganz Deutschland angereist, um ihn zu sehen. Im Februar hat er ein kleines Konzert im Codos-Café: Etwa 150 Leute waren da. Einmal kamen auch eine Mutter mit ihrer Tochter ins Café, die sich vorerst nicht trauten Chase anzusprechen. Er bemerkte es, macht ihnen Kaffee, irgendwann fingen sie an zu quatschen. Die beiden Frauen kamen aus Düsseldorf in die Hansestadt – Chase konnte es erst nicht glauben, dass sie seinetwegen dort waren. „ Ich bin doch nicht Beyoncé“, lacht er.

Vollzeit-Job, sonntags arbeiten im Café, Instagram, Privatleben – wie schafft ein Mensch das? „Keine Ahnung – ich glaube, mein Tag hat 48 Stunden.“ Nur seine Ernährung, die leide unter seinem vollgestopften Alltag: Oft vergesse er einfach zu essen. Dennoch verspricht er: „Solange ich es hinkriege, mache ich es auch.“

Hamburg-Altona: Singender Barista Chase gibt im Sommer noch ein Konzert

Wer unwissend auf der Jagd nach Koffein in Codos-Café eintritt und dort auf den singenden Barista trifft, der kann schon mal verwirrt die Augenbraue hochziehen. „Klar, es gibt Menschen, die wollen ihren Kaffee haben und wieder gehen. Ich hätte auch keinen Bock darauf, dass mich jemand morgens um 8 Uhr volllabert“, schmunzelt der Musiker.

Im Sommer will Chase noch mal ein Konzert geben, dann aber draußen. Auch sein neuer Song „Home“ soll bald erscheinen. Davor will er noch einer Akustik-Version seines Songs „Lionhearted“ veröffentlichen – also ordentlich zu tun. „Ich hab´ so eine intrinsische, unnötige Happiness in mir – keine Ahnung wo sie herkommt, sie ist einfach da. Warum nicht teilen?“ Ja, warum nicht teilen?