Der 49-Jährige soll die zierliche Frau gepackt und vom Sitz gezerrt haben. Der Mann gibt zu: “Ich wollte Sex mit ihr.“ Das Opfer wehrte sich erfolgreich.

Hamburg. Es hätte wohl alles auch ganz anders ausgehen können an jenem Sonnabendmorgen im Oktober, als die junge Frau gerade von der Reeperbahn zurückkam. Es war ein lustiger Abend mit Freunden. Ein paar Biere habe sie getrunken, erzählt die 20 Jahre alte Schülerin gestern vor Gericht - aber betrunken sei sie nicht gewesen. Ein Freund habe Bedenken gehabt, sie allein nach Hause fahren zu lassen, daher hätten sie extra eine Stunde gewartet, bevor sie in die S 3 Richtung Pinneberg stieg. Irgendwann habe sie ganz allein in der S-Bahn gesessen, nur ein Mann sei noch in dem Abteil gewesen - hinter ihr. Deshalb habe sie ihn zunächst gar nicht bemerkt.

Was dann passierte, lässt der wegen versuchter Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagte Wolfgang S., 49, im Amtsgericht Altona über seine Anwältin verlesen. Zweimal sei er aufgestanden und habe sie, die kleine, zierliche Frau, betrachtet. Dann habe er sich wieder hingesetzt, sei aber ein drittes Mal zu ihr hin. Während sie auf ihrem Handy getippt habe, habe er sie von hinten gepackt und vom Sitz gezerrt.

Wolfgang S. gibt vor Gericht zu, dass er sie in dem Moment vergewaltigen wollte. "Ich wollte Sex mit ihr." Doch die junge Frau wehrte sich, trat um sich und schlug mit Handy und Fäusten so lange auf den größeren Mann ein, bis er von ihr abließ. "Ich bin völlig ausgerastet!", sagt das Opfer. Bei der nächsten Station sei sie aus dem Zugabteil geflüchtet und habe die Polizei alarmiert. Warum der Mann von ihr abgelassen hat, konnte gestern nicht abschließend geklärt werden. "Der Zug lief gerade in den Bahnhof ein, vermutlich hatte er Angst, erwischt zu werden", vermutet die junge Frau vor Gericht. "Vielleicht hat er freiwillig aufgehört", meint indes die Strafverteidigerin. Der Richter: "Oder die Gegenwehr war zu stark."

Wer freiwillig von einer Straftat Abstand nimmt, kann nach deutschem Recht nicht verurteilt werden. Auf Überwachungsbildern, aufgezeichnet von Kameras in der S-Bahn, ist nicht eindeutig zu erkennen, ob der Mann seine Attacke freiwillig beendet hat. Deutlich ist auf den Bildern allerdings zu sehen, wie der Mann sein Opfer vom Sitz zerrt und zu Boden wirft. Die Strafverteidigerin argumentiert, dass er die Frau ohne Probleme hätte überwältigen können und die nächste Station noch 40 Sekunden entfernt gewesen sei. Wie seine Aussage und die Bilder zu werten sind, bleibt dem Gericht überlassen.

"Ich wollte ihr nicht wehtun", sagt Wolfgang S. gestern. Er sei zu Besuch in Hamburg gewesen, habe niemand gekannt, ein paar Nächte durchgemacht, ein paar Biere getrunken und sei dann nur in die S-Bahn gestiegen, um ein wenig zu schlafen. Warum er so ausgerastet sei, könne er aus heutiger Sicht nicht nachvollziehen - vielleicht sei er einsam gewesen. Erst hinterher sei ihm bewusst geworden, was passiert sei. Es tue ihm leid. Wolfgang S.: "Ich hoffe, sie hat sich nicht wehgetan."

Die junge Frau trug jedoch Prellungen am Kopf und am Rücken davon. "Ich habe jetzt große Probleme, mit der S-Bahn zu fahren. Ein paarmal habe ich deshalb schon ein Taxi genommen", sagt sie und ergänzt: "Ich verstehe nicht, warum tagsüber beinahe zu viele Wachleute in der S-Bahn sind, aber nachts, wenn alle vom Feiern nach Hause fahren, ist niemand da." Der Prozess wird fortgesetzt.