Hamburg. Das Quatuor Ébène setzt seinen Beethoven-Zyklus nach langer Pause in der Laeiszhalle fort. Weiter geht’s am 23. Oktober

Dieses war der zweite Streich. Der Auftakt zum Beethoven-Zyklus des Quatuor Ébène geschah in einem anderen Zeitalter: im Februar 2020. Vor dem Lockdown. Vier weitere Konzerte finden in den nächsten Wochen statt, es gibt noch Karten.

Acht Monate Pause, neuer Termin, neuer Ort. Und doch fühlte sich der Abend im Großen Saal der Laeisz­halle an, als wäre es selbstverständlich, dass sich Hunderte Menschen zusammenfinden, um sich von vier weiteren Menschen aufs sogenannte Wesent­liche einschwören zu lassen. In der Kunst, im Leben, wer wollte das nach diesem Konzert noch unterscheiden.

Stundenlagens Warten an feuchtkühler Hamburger Luft

Einen Tag voller Strapazen hatten die vier hinter sich, mit zehnstündiger Zugfahrt von Paris und stundenlangem Warten an der feuchtkühlen Hamburger Luft auf die Ergebnisse ihrer Corona-Tests (allesamt negativ). Doch davon war ihnen nichts anzumerken. Sie knüpften in der Konzen­tration, Perfektion und in der Unbedingtheit ihres Spiels einfach an den fernen ersten Abend an.

Wie damals standen ein „frühes“ und zwei „mittlere“ Quartette Beethovens auf dem Programm. Op. 18 Nr. 3 D-Dur ist, auch wenn die Ziffer es nicht vermuten lässt, Beethovens erstes Quartett überhaupt. Es steht noch in der Tradition Haydns und Mozarts. Aber das Quatuor Ébène wäre nicht das Quatuor Ébène, wenn es Beethovens Handschrift nicht in jeder Wendung hörbar gemacht hätte. Den langsamen Satz ließen die vier gleichsam ausbluten, entzogen ihm systematisch Farbe und Leben.

Erschütterndes Abbild Beethovens seelischer Nöte und Abgründe

Solch Bekenntnis­charakter wies schon auf das Quartett op. 95 f-Moll voraus. Beethoven schrieb das Werk, nachdem sein Versuch, mit einer verständlicheren Tonsprache auch seine Streichquartette einem breiteren Publikum zu erschließen, gescheitert war. Jetzt erst recht, muss er sich gesagt haben – op. 95 ist ein erschütterndes Abbild seiner seelischen Nöte und Abgründe, bündig, ohne jedes Zugeständnis. Und so spielten die Musiker es auch. Gingen ins volle Risiko, wenn sie in Sekundenbruchteilen zwischen Verzweiflungsausbrüchen und lyrischer Süße wechselten. Wie frei und fein dieses Ensemble mit dem Zeitmaß umgeht, das trifft immer wieder ins Mark.

Dass sich an diese intensiven Eindrücke noch das „Rasumowsky“-Quartett op. 59 Nr. 2 e-Moll anschloss, war beinahe eine Zumutung. Und passte gerade deshalb zur klingenden Botschaft der Musiker. Mit immenser Klangfarbenpalette, traumwandlerischem Zusammenspiel und radikalem Ausdruckswillen spürten sie Resignation, heiterer Gefasstheit, Aufbegehren in jeden Winkel nach.

Bequem war das nicht, sondern aufwühlend, fordernd. Entfesselter, dank­barer, anhaltender Jubel. Wer’s verpasst hat: Fortsetzung folgt, und das gleich mehrfach.

Weitere Konzerte Quatuor Ébène:Fr 23.10., Di 17.11., Do 26.11. und So 29.11., jeweils 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 15,- bis 49,- unter T. 35 76 66 66. CD-Box:„Beethoven Around The World. Complete String Quartets“ (Erato, 7 CDs, ca. 36,-)