Jane Austen hat ihre Romane vor über 200 Jahren geschrieben, aber etwas an ihnen passt offenbar so gut in unsere Zeit, dass sie in regelmäßigen Abständen immer wieder verfilmt werden. Kenner können deshalb die Gwyneth-Paltrow-„Emma“ von der Kate-Beckinsale-„Emma“ und der Romola-Garai-„Emma“ unterscheiden. Echte Insider wissen sogar, dass es sich bei „Clueless“, dem RomCom-Hit mit Alicia Silverstone, um eine „Emma“-Adaption handelt, die den Stoff von den britischen Landgütern des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf die Anwesen des Geldadels von Beverley Hills in der Clinton-Ära versetzt.

Solche radikalen Modernisierungen sind bei Austen-Adaptionen jedoch eher selten – besitzen ihre Beschreibungen von Beziehungen zwischen Männern und Frauen doch einen Nuancenreichtum und eine Hellsichtigkeit, die fast alles, was heute so zum Thema Dating veröffentlicht wird, auf eine Weise in den Schatten stellt, die keine zeitgenössische Kostümierung braucht. Deshalb überrascht es nicht, wenn die Amerikanerin Autumn de Wilde, die vor allem für ihre Musik-Videos und Popalben-Fotografie bekannt ist, ihre „Emma“ in Empire-Silhouette-Kleidern auftreten lässt.

Kostüme, Interieurs, sogar die grünen Äcker, die Mr. Knightley (Johnny Flynn) zum Entsetzen seines Kutschers so gern zu Fuß durchkreuzt, besitzen einen antiquierten, nostalgisch stimmenden Charme. Erst wenn diese Figuren den Mund öffnen und erst wenn man in ihr Beziehungsgeflecht eingestiegen ist, merkt man, wie nah sie an der Gegenwart denken und fühlen: Emma (Anya Taylor-Joy) und ihr Herr Papa (Bill Nighy), die naive kleine Harriet (Mia Goth), der eitle Pfarrer Elton (Josh O’Connor), die plappernde Miss Bates­ (Miranda Hart) und der stolze Mr. Knightley.

So ist es zwar sicher kein Spoiler, wenn man verrät, dass am Ende von „Emma“ auch die Titelfigur den Richtigen gefunden haben wird, aber zunächst möchte Emma (von Anya Taylor-Joy in der feinen Balance zwischen verwöhntem Töchterchen und aufmüpfigem Girlie gespielt) ihre neue Freundin Harriet unter die Haube bringen.

Harriet zog bei Emma und ihrem verwitweten Vater ein, um die große Lücke zu füllen, die durch die Heirat der früheren Gesellschafterin entstanden war. Die beiden jungen Frauen verstehen sich auf Anhieb, vielleicht gerade weil die naivere Harriet die Bevormundung durch die selbstbewusste Emma ziemlich klaglos hinnimmt.

Eine gute Partie zu finden für Harriet ist gar nicht so einfach, stammt die junge Frau doch aus einer illegitimen Beziehung und weiß nicht, wer ihr Vater ist. Aber Emma glaubt, dass der neue Pfarrer solche Vorurteile für altmodisch hält. Würde er den jungen Frauen sonst so den Hof machen? Ihre eigenen Hoffnungen setzt Emma auf einen gewissen Mr. Churchill, der als Erbe eines benachbarten Guts in der Gegend erwartet wird. Eine Neigung, die Mr. Knightley, ein Freund und Nachbar, mit kritischem Blick verfolgt. Knightley sieht allerdings vieles an Emma kritisch, was die junge Frau verständlicherweise irritiert.

Regisseurin Autumn de Wilde zerlegt diese Ränkespiele in ihrer romantischen Komödie in präzis inszenierte Konversationen, die sie mit wunderbarem Feingefühl rhythmisch montiert. Tatsächlich liegt geradezu eine Art Hip-Hop-Drive unter der Abfolge von Tee-Empfängen, Dinner-Gesprächen und Kamin-Plaudereien, während derer Emma langsam zu begreifen lernt, dass sich die sozialen Unterschiede nicht so leicht beseitigen lassen und dass auf romantische Verklärungen aus der Ferne zwangsläufig Enttäuschungen folgen.

Bill Nighy setzt als empfindlicher Vater herrlich exzentrische Akzente, während Johnny Flynn seinem Knightley ein sehr zeitgenössisch-romantisches Flair verleiht. Das zentrale Ereignis des Films aber ist Anya Taylor-Joy als Emma, die hier kompliziert, intelligent und fehlbar zugleich sein darf. Mithin eine echte Heldin unserer Zeit.

„Emma“ GB 2020, 125 Min., o. A., R: Autumn de Wilde, D: Anya Taylor-Joy, Josh O’Connor, Mia Goth, im Abaton (OmU), Cinemaxx Dammtor, Elbe, Koralle, Passage, UCI Othmarschen Park; https://upig.de/micro/emma