Ein charmanter Amerikaner, Mitte 60, sitzt im Italienischunterricht. Wie ein kleiner Junge hockt er am Pult und versucht, seine attraktive, halb so alte Lehrerin zu beeindrucken. Beim Einkauf erweist sich sein Italienisch bereits als alltagstauglich. Der mit einer Moldauerin in Italien lebende New Yorker erzählt stolz von den drei Sprachen, mit denen die kleine Tochter aufwachsen würde. Er selbst verstehe kein Moldauisch und argwöhnt, dass sich Frau und Tochter bald gegen ihn verschwören könnten.

Im Zentrum steht Tommaso (Willem Dafoe), ein Filmregisseur mit wilder Vergangenheit, der noch einmal das Modell Kleinfamilie ausprobiert. Mit seiner 29 Jahre jungen Frau Kikki (Cristina Chiriac) und der dreijährigen Tochter Deedee (Anna Ferrara) residiert er in einer Altbauwohnung im Zentrum Roms und wirkt bestens integriert. An einer Schauspielschule gibt er Unterricht, arbeitet seine Vergangenheit bei regelmäßigen Treffen der Anonymen Alkoholiker auf, verbringt mit Deedee viel Zeit auf dem Spielplatz und findet mit Yoga immer wieder in die Balance. Alles könnte so schön sein, wenn es da nicht den „Tanz der Geister“ gäbe: Tagträume, Fantasien, künstlerischen Visionen, die Tommaso zunehmend auch als eifersüchtigen Kontrollfreak zeigen, als notorischen Erotomanen und narzisstischen Schmerzensmann, mithin als lediglich trockenen Suchtkranken, von denen es in einer Gruppentherapiesitzung einmal heißt, dass sie „keine Beziehungen führen“ können und stattdessen „Geiseln nehmen“.

Sowohl Willem Dafoe als auch sein alter Freund Abel Ferrara leben seit einiger Zeit zumindest teils in Rom, mit deutlich jüngeren Frauen. Für die Kamera werden hier Ferraras Partnerin Cristina Chiriac und Tochter Deedee durch Dafoe ergänzt, als Alter Ego des Regisseurs und wohl auch seiner selbst.

Trotz seiner immanenten Anleihen bei publikumsfreundlicheren Genrefilmen geht Ferrara freilich nicht den Weg der wohlfeilen Harmonisierung einer romantischen Komödie. Er lässt seinen Film erodieren. Versatzstücke aus Tommasos Kopfkino und Internetfilme von Kämpfen Mensch gegen Bär, die zu Recherchezwecken geschaut werden, vermischen sich mit Zitaten von Tarkowski und buddhistischen Lehrsprüchen.

„Tommaso und der Tanz der Geister“ I/GB u. a. 2019, 117 Min., ab 12 J., R: Abel Ferrara, D: Willem Dafoe, Cristina Chiriac, Anne Ferrara, Stella Mastrantonio, So 16.2., 22.40 im Abaton (OmU); Allende-Platz 3, www.abaton.de