In Ulrich Köhlers und Henner Wincklers Nicht-Roadmovie „Das freiwillige Jahr“ rauscht der Verkehr. Er weist darauf hin, dass das Hier immer auf ein Dort ausgerichtet ist. Ruhe: nirgends. Stillstand: überall. Ohne Auto ist Leben kaum möglich in der Provinz, wer ihr entfliehen möchte, braucht erst recht ein Auto. Der scheinbare Fluchtversuch der Abiturientin Jette (Maj-Britt Klenke) scheitert schon daran, dass ihr Freund Mario (Thomas Schubert) am Flughafen den falschen Abzweig nimmt. Der geplante Aufbruch zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr entspringt keineswegs ihrem freien Willen.

Jettes jugendlicher, aber tyrannischer Vater (Sebastian Rudolph) hat sie mit besten Absichten dazu gedrängt. Weil er weiß, was für andere gut ist. Und weil er es im Grunde nicht aushält in dem Kaff, in dem er als Landarzt geblieben ist. Jette brennt in Vaters VW-Bus durch. Doch Mario hat Sorgen, dass sein Vater ihm nicht frei gibt und meldet sich am nächsten Morgen doch lieber mal bei Mama.

Wie Maj-Britt Klenke die frisch entdeckte, anarchische Aufbruchs-Freude Jettes in feinsten Abstufungen in die Verwunderung und dann Enttäuschung über ihren festgewurzelten Freund hinüberkippen lässt, ist ein Vergnügen. Dass dieses Beinahe-Kammerspiel im Bus nie an Spannung verliert, liegt an der Ausrichtung von Buch und Regie. Es sind oft winzige Szenen, in denen die Charaktere Plastizität und Vielschichtigkeit gewinnen.

„Das freiwillige Jahr“ D 2019, 86 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Ulrich Köhler/Henner Winckler, Darsteller: Maj-Britt Klenke, Sebastian Rudolph, Thomas Schubert, im Abaton