Altmeister Ken Loach legt in „Sorry We Missed You“ wieder den Finger in die Wunde.

Dass ihm im Zweifelsfall das Engagement über die Kunst geht, daraus hat der britische Regisseur Ken Loach, jetzt stolze 83 Jahre jung, nie einen Hehl gemacht. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der sozial Benachteiligten abzubilden und auf diese Art gegen ungerechte und unhaltbare Zustände zu protestieren war ihm seit jeher wichtiger als der mögliche Kassenhit.

Seit Jahren schon verkündet er seinen Rückzug, aber dann fällt ihm wieder ein gesellschaftlicher Missstand auf, und er und sein langjähriger Drehbuchautor Paul Laverty bringen ihn auf die Leinwand, weil es ja sonst keiner macht.

Und immer, wenn man dachte, dass Loachs filmischer Arbeiter-Realismus sich endgültig verbraucht hätte, überzeugte er dann doch wieder mit seinem präzisen Blick auf die stetig misslicher werdende Lage. In „Sorry We Missed You“ nimmt sich Loach nun das aktuelle Phänomen der „Gig Economy“ vor, jene Art Ausbeutung, die dem Arbeiter das Letzte nimmt, was er noch hatte: den ausbeuterischen Chef.

Das Schlüsselwort der Gig Economy ist die Selbstständigkeit. Die Fahrer des Lieferdiensts, bei dem Familienvater Ricky (Kris Hitchen) anheuert, sind „Eigentümer-Fahrer“. Das bedeutet, dass Ricky den Wagen selbst kaufen muss, mit dem er dann selbstbestimmt, soll heißen im Akkord, die Pakete an den Mann bringen soll. Der wichtigste Tipp, den er vom Kollegen bekommt, hat die Form einer leeren Milchflasche: Für Pinkelpausen bleibt in seinem 14-Stunden-Tag keine Zeit.

Es sind alles wahre Dinge, die Loach in „Sorry We Missed You“ auf den Punkt bringt. Aber die bloße Kritik an den modernen Arbeitsverhältnissen ist ihm nicht genug. Der Zuschauer soll schon richtig mitleiden mit dem Helden, weshalb Loach­ es leider nicht lassen kann, ihn mit weiteren Problemen zu überhäufen.

„Sorry We Missed You“ GB/F/B 2019, 101 Min., ab 12 J., R: Ken Loach, D: Kris Hitchen, Katie Proctor, im Abaton (OmU), Studio (OmU), Zeise (OmU); www.sorrywemissedyou-derfilm.de