Vor drei Jahren hat die erst 37 Jahre alte US-Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Greta Gerwig ihren internationalen Durchbruch erlebt – mit dem Drama „Lady Bird“. Jetzt kommt ihr mit Spannung erwarteter neuer Film ins Kino. Er könnte von den prekären Verhältnissen in „Lady Bird“ kaum weiter entfernt sein. 1861 lebt die gut situierte Familie March in einem herrschaftlichen Haus. Der Vater kämpft weit entfernt im Bürgerkrieg. Daheim führen die so gütige wie lebenskluge Mutter Margaret (Laura Dern) und die vier Töchter ein recht unbeschwertes Leben.

Meg (Emma Watson), die älteste, ist eine leidenschaftliche Schauspielerin. Beth (Eliza Scanlen) plagt eine labile Gesundheit, versteht es aber mit ihrem Klavierspiel, einem Trau­er tragenden Nachbarn Trost zu spenden. Etwas eifersüchtig betrachtet Nesthäkchen Amy (Florence Pugh) ihre Schwestern und steht sich dabei mit ihren Ambitionen selbst im Weg. Sie will eine große Malerin sein – oder gar keine. Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist die zweitälteste Tochter Jo (Saoirse Ronan, Hauptdarstellerin von „Lady Bird“), eine angehende Schriftstellerin.

Trotz allen darüber hinausgehenden Neigungen scheint der weitere Weg der March-Schwestern vorgezeichnet. Es gilt, eine gute Partie zu heiraten, nicht zuletzt, um finanziell abgesichert zu bleiben. Vor allem die selbstbewusste Jo kann das für sich nicht akzeptieren.

Mit dem Roman „Little Women“ hat die US-amerikanische Autorin Louisa May Alcott ihrer Familie 1868 ein literarisches Denkmal gesetzt. Für das Kino ist der Klassiker bisher sechsmal verfilmt worden. Die Frage drängte sich auf, was Greta Gerwig dem bereits Bestehenden noch Substanzielles hinzufügen könnte. Die Antwort wiegt sechs Oscar-Nominierungen schwer – die ausgebliebene Nominierung für die Regisseurin wäre mit dem Wort Skandal noch zu milde bezeichnet.

Scheinbar mühelos übertragen Gerwig und ihre hinreißende Besetzung die Vitalität des in den vergangenen zehn Jahren etablierten jungen feministischen Films in die prächtige Welt eines Kostümfilms. Während sie in der Regel nah am Roman bleibt, gelingt Gerwig mit einer Rahmenhandlung ein Kabinettstück.

Sie adaptiert und erweitert, was eigentlich erst später von May Alcott beschrieben wurde: Jos Weg zur erfolgreichen Schriftstellerin, inklusive harter Copyright-Verhandlungen vor der ersten Veröffentlichung von „Little Women“. Letztere wirken wie eine triumphale, die Grenzen von Raum und Zeit auflösende Replik auf die Küchenszene aus „Lady Bird“. Ohne jenen Film und seine zugrunde liegenden Erfahrungen wäre „Little Women“ wohl nicht zu jenem Meisterwerk geworden, das es ohne Frage ist.

Little Women“ USA 2019, 135 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Greta Gerwig, Darsteller: Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh, Laura Dern, Timothée Chalamet, Meryl Streep, im Astor, Cinemaxx Dammtor, Elbe, Holi, Koralle, Studio, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek, Zeise