Ein Plädoyer für die große Sache: Terrence Malicks Drama „Ein verborgenes Leben“ ist eine visuelle Offenbarung.

Haltung ist ein rares Gut geworden in unserer heutigen Zeit, obwohl sie gerade jetzt wieder sehr nötig ist. Da wirkt dieser Film von Terrence Malick wie ein Plädoyer für die große Sache, für die es lediglich einen kleinen Schritt braucht: den Mut, Nein zu sagen.

Der Film „Ein verborgenes Leben“ erzählt die wahre Geschichte von Franz ­Jägerstätter, einem Bauern aus den österreichischen Bergen, der ein einfaches Leben führte, bis sein Land sich willig dem nationalsozialistischen Nachbarland anschloss. Die Wehrausbildung machte Jägerstätter noch mit. Aber als er in den Krieg ziehen sollte und wie alle den „Treueeid auf den Führer“ schwören musste, da verweigerte er diesen. Und dieses winzige Sandkorn brachte das gesamte Getriebe zum Knirschen.

Erst sieht man in schwarz-weißen Dokumentarbildern, wie streng koordinierte Menschenmassen Hitler berauscht zujubeln, wobei selbst die Kamera ehrfurchtsvoll vor dem Ver-Führer in die Knie geht oder das Ganze aus gottgleicher Perspektive von oben betrachtet. Höchst manipulierte und manipulative Szenen aus Leni Riefenstahls perfidem Propagandafilm „Triumph des Willens“.

Dann ein herber Schnitt auf die sattfarbene, entrückte Welt der Berge in doppelt so breitem Format. Hier bestellt Franz Jägerstätter (August Diehl), in körperlicher Anstrengung, aber in Harmonie mit der Umwelt und seinem Glauben, sein Feld. Nur kurz währt diese Idylle, bis der Bürgermeister als Erster den Hass und die Fremdenfeindlichkeit der Nazis predigt und das Dorf infiziert.

Jägerstätter widersteht dem. Und weiß, welche Folgen das haben wird. Seine Zweifel darüber macht Jägerstätter erst mal mit sich, dann mit der Kirche aus. Aber der heimische Priester wie der Bischof in der Stadt raten ihm, den Eid zu leisten. Weil sonst der Druck auf seine Familie zu groß werde. Es sind erschütternde Szenen, wie die Kirche hier in die Knie geht und ihren eigenen Glauben verrät. Anders als dieser einfache Bauer. Er verteidigt die Würdenträger noch.

Sofort wird der Mann interniert und wegen „Wehrkraftzersetzung“ angeklagt. Und seine Frau Fani (Valerie Pachner), die die mühsame Landarbeit allein bewältigen und sich auch noch um ihre drei Kinder kümmern muss, sieht sich dem Hass der Dorfbewohner ausgesetzt, die sie in Sippenhaft nehmen, sie als „Verräterin“ bespucken, schamlos Früchte von ihrem Feld stehlen und ihrem Mann offen den Tod wünschen.

Die Geschichte von Franz Jägerstätter war lange unbekannt in Deutschland und verdrängt in Österreich. In den USA war sie viel geläufiger. Muhammad Ali hat sich auf Jägerstätter berufen, als er seinen Kriegsdienst verweigerte. Inzwischen ist Jägerstätter rehabilitiert und wurde von der katholischen Kirche selig gesprochen.

Malick hat seinen Film nicht, wie sonst, mit Hollywoodstars besetzt, sondern durchweg mit deutschsprachigen Schauspielern, was authentischer wirkt. Und vom Glamour ablenkt. August Diehl spielt hier vielleicht die Rolle seines Lebens. Der Film ist eine visuelle Offenbarung, eine Ausnahmeerfahrung im Kino, eine cineastische Meditation. Und zugleich ein bildstarkes Plädoyer dafür, eine Haltung einzunehmen.

„Ein verborgenes Leben“ D/USA 2019, 174 Minuten, ab 12 Jahren, Regie: Terrence Malick, Darsteller: August Diehl, Maria Simon, Valerie Pachner, im Koralle, Zeise