Der Roman „Die Entdeckung des Himmels“ des niederländischen Autors Harry Mulisch war Mitte der 1990er-Jahre auch in Deutschland ein Bestseller. Ein mehr als 800 Seiten starkes Werk, eine Art enzyklopädischer Roman, der kaum eines der Themen auslässt, die die Diskurse der damaligen (und in Passagen auch noch der heutigen) Welt bestimmten – Politik und Religion, Schuld und Vergebung, Mystizismus und Naturwissenschaft, Selbst- und Fremdbestimmung und immer wieder die Liebe. 2007 wurde Mulischs Roman zum besten niederländischen Buch aller Zeiten gewählt.

Das Altonaer Theater hievt „Die Entdeckung des Himmels“ jetzt auf die Bühne an der Museumstraße, Premiere ist am 19. Januar. Eine wahre Mammutaufgabe, der sich Intendant und Regisseur Axel Schneider gestellt hat – aus seiner Feder stammt die Bühnenfassung des Romans. „Ich habe das Buch erstmals 2008 gelesen“, erzählt Schneider. „Beim späteren zweiten Lesen habe ich dann gemerkt, wie komplex dieser Roman ist. Und heute würde ich sagen, es ist intellektuell das anspruchsvollste Projekt, das ich je realisiert habe.“

Schneider hat Harry Mulischs verästelte Geschichte in 80 Seiten komprimiert

Vordergründig erzählt Mulisch die Geschichte der Freundschaft zweier Männer: Onno Quist, gespielt von Franz-Joseph Dieken, und Max Delius (Tobias Dürr) heißen sie, der eine erforscht alte Sprachen, der andere schaut in die Sterne, ein Astronom. Zwei Welten begegnen sich in diesen grundverschiedenen Männern. Was sie eint, ist die Liebe zu einer Frau, aus der ein Sohn (Johan Richter) entsteht. Gelenkt werden die Freunde ohne ihr Wissen von zwei himmlischen Wesen (Sandra Quadflieg, Nadja Wünsche). Das Ziel des göttlichen Plans: den einst mit den zehn Geboten geschlossenen Bund zwischen Menschen und Gott lösen.

Es ist eine auf der Handlungsebene ungemein verästelte Geschichte, die Mulisch erzählt und die Axel Schneider in knapp 80 Seiten Bühnenfassung strukturiert und komprimiert hat. „Die Hauptschwierigkeit dabei war, die Komplexität des Themas so einzufangen, dass man auf der Bühne nicht zu viel erklären muss“, sagt Schneider. Schließlich sei das für die Zuschauer immer langweilig, entscheidend seien die Figuren und deren Emotionalität.

Es bedurfte diverser Textfassungen, bis Schneider zufrieden war mit dem, was auf der Bühne Gültigkeit haben sollte. „Bei Mulisch gibt es Passagen und direkte Rede, die kann man so übernehmen, in anderen Passagen des Romans gibt es keine direkte Rede, also muss man sie erfinden.“ Eine durchaus diffizile Aufgabe angesichts eines solch literarischen Textbrockens, wie Harry Mulischs Roman nun einmal einer ist. Die Adaption kann immer nur eine Interpretation sein, jeder Nuance der Geschichte gerecht zu werden ist schlechterdings nicht möglich. Das, so betont Schneider, sei aber auch nicht sein Ziel.

Die Inszenierung von „Die Entdeckung des Himmels“ ist ein weiterer und zudem ungemein großer Baustein in der mit „Wir spielen Bücher“ überschriebenen Programmstruktur des Altonaer Theaters. Eine Devise, mit der sich die Bühne in Hamburg ein gewisses Alleinstellungsmerkmal erarbeitet und eine Marktlücke erschlossen hat. Und das mit Erfolg, wie die Verleihung des mit 50.000 Euro dotierten Barbara-Kisseler-Preises erst im vergangenen Herbst unter Beweis gestellt hat.

„Die Entdeckung des Himmels“ Premiere So 19.1., 19 Uhr, bis 16.2., Altonaer Theater (S Altona), Museumstraße 17, Karten zu 16 bis 38 Euro unter T. 39 90 58 70