Am Ende wagen sie sogar ein Tänzchen miteinander. Oder, na ja, staksen unbeholfen herum. Franziskus, der Papst aus Argentinien, hat den Tango und den Rhythmus im Blut. Der steife, unzugängliche Benediktus, der deutsche Papst a. D., will nicht so recht und lässt sich mitziehen. Aber so tänzeln die beiden, im Innenhof des Vatikans, ein paar Schritte in seltener Harmonie. Zur Gaudi der wenigen Angestellten, die Zeuge davon werden.

Diese Szene gibt ein bisschen den Takt vor für die Herangehensweise von Fernando Meirelles’ ungewöhnlichem Netflix-Film „Die zwei Päpste“, der am 5. Dezember für kurze Zeit in wenigen Kinos läuft und ab 20. Dezember auf der Streaming-Plattform ist. Da ist das Fundament an Fakten über den mehr als ungewöhnlichen Zustand, dass die Welt erstmals seit 1415 wieder zwei lebende Päpste hat. Aber der Film hält sich nicht an diese Tatsachen, er tänzelt mit einem höchst ironischen Free Dance über sie hinweg.

Anthony McCarten, erfolgreicher Dramatiker („Ladies Night“), Romancier („Superhero“) und Drehbuchautor („Bohemian Rhapsody“), hat über die überraschende Abdankung Benedikts XVI. das Sachbuch „Die zwei Päpste“ geschrieben, in dem er „Die Entscheidung, die ­alles veränderte“ (so der Untertitel) detailgenau rekapituliert. Meirelles’ Film, zu dem McCarten auch das Drehbuch schrieb, ist aber nicht bloß der Film zum Buch. Im Gegenteil, und das nimmt einen erst mal sehr für ihn ein, schiebt er alle Fakten beiseite und spekuliert keck, wie es gewesen sein könnte. Er nutzt dabei ein simples Muster: Er lässt die zwei so unterschiedlichen Charaktere immer wieder aufeinandertreffen und vertrauliche Gespräche unter vier Augen führen. Ist natürlich fiktiv, könnte aber so gewesen sein.

Eigentlich ist es der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio (Jonathan Pryce), der abdanken und lieber wieder ein einfacher Priester sein will. So weit die Fakten. Im Film aber reist der Kardinal deshalb – auf eigene Kosten – nach Rom, um Papst Benedikt XVI. (Anthony Hopkins) seine Entlassungsurkunde vorzulegen. Der denkt gar nicht daran, sie zu unterzeichnen. Sähe ja so aus, als würde er seinen ärgsten Widersacher kaltstellen.

Die Charaktermimen Hopkins und Pryce liefern sich ein Duell der Spitzenklasse

Der Papst hat zu dieser Zeit, auch das ist Fakt, schon genug am Hals mit all den Skandalen um die Vatikan-Bank, um Korruption im Umfeld des Heiligen Stuhls und sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche. Darüber will er sich im Film ausgerechnet mit seinem größten Kritiker beraten und bestellt ihn zu sich. Die Gesuche der beiden überschneiden sich. Und so spazieren die so unterschiedlichen Würdenträger durch weite Gärten des Vatikans und endlose Gänge des Petersdoms und führen lange Gespräche über Tradition, Fortschritt und den Zustand der Kirche.

Schließlich dreht Benedikt den Spieß um. Und wirft selber hin. Und Bergoglio, der schon bei der Papstwahl 2005 die meisten Stimmen nach Kardinal Joseph Ratzinger bekommen hatte, sieht sich plötzlich damit konfrontiert, dass er nun das Erbe Benedikts antreten könnte.

Es ist immer wieder absurd, das starre Reglement einer Papstwahl zu erleben, was man schon aus Nanni Morettis Komödie „Habemus Papam – Ein Papst büxt aus“ von 2011 kennt. Natürlich macht es auch großen Spaß, in „Die zwei Päpste“ zu sehen, wie der misanthrope Benedikt XVI. sich in seine Sommerresidenz zurückzieht und seine Mahlzeiten ganz allein einnimmt, während Bergoglio, Mann des Volkes, an einem Straßenstand in Rom Pizza verzehrt. Oder wie Benedikt seine Lieblingsserie „Kommissar Rex“ im Fernsehen guckt, während Franziskus ihn zur Liebe zum Fußball zu bekehren versucht.

Und natürlich ist es ein immenser Schauwert, wie die großen britischen Charaktermimen Hopkins und Pryce sich hier ein Darstellerduell der Spitzenklasse liefern. Wobei man den beiden durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit ihren Figuren attestieren kann. Und sie sich Mimik und Gestik genau abgeguckt haben.

So interessant diese Ausgangsposition ist und so hübsch sie gespielt wird, tritt der Film bald auf der Stelle. Nach dem anfänglichen Witz, die so gegensätzlichen Figuren aufeinanderprallen zu lassen, müsste es auch um die großen Themen gehen. Die Skandale im Vatikan werden nur gestreift. Stattdessen weicht der Film auf Bergoglios Vorleben aus und zeigt dessen höchst ambivalente Rolle während der Militär-Junta in Argentinien, die er selbst als Sünde betrachtet und als deren Buße er seine Papst-Bürde wohl auch versteht.

Erfolgsregisseur Meirelles („City of God“) traut aber an dieser Stelle seinen Stars nicht und verhandelt diese Episode nicht im Dialog, sondern bebildert sie in einer langen Rückblende. Über das sicher noch ambivalentere Vorleben von Ratzinger erfährt man im Film – ganz anders als in McCartens Buch – gar nichts. Da wird schon ein seltsames Ungleichgewicht deutlich. Und ein fataler Hang zur Weichzeichnerei, der den ganzen Film prägt. Am Ende predigt er nur Versöhnung, wenn nicht sogar Absolution. Das passt so gar nicht zum satirischen Ausgangspunkt.

„Die zwei Päpste“ USA 2019, 126 Min., ab 12 J., R: Fernando Meirelles, D: Anthony Hopkins, Jonathan Pryce, Juan Minujin, Sidney Cole, täglich im Passage-Kino; www.das-passage.de