Wenn es draußen kalt und dunkel wird, ist es Zeit für Kunst aus hohen und lichtarmen Regionen. Alle zwei Jahre, diesmal vom 5. bis 14. Dezember, lädt das Nordwind-Festival auf Kamp­nagel zu Tanz- und Performance-Kunst aus den nordischen Ländern. Mittlerweile ist es auch jenseits der Saison zu einer Plattform gewachsen.

Das politische Thema lautet diesmal „Exploring Blankness“. Der Titel resultiert aus der sogenannten vierten Feministischen Welle, die sich den Folgen kapitalistischer und kolonialer Machtstrukturen widmet. Zum Auftakt gibt es einen echten Hingucker auf der großen Kampnagel-Bühne K6. Die Tanzproduktion „Romeo und Julia“ (5. bis 8.12., jew. 19.30 Uhr) der beiden isländischen Choreografinnen Erna Omarsdóttir und Halla Ólafsdóttir erzählt das Liebesdrama nach Shakespeare mit einem explizit feministischen Anspruch. Das Ergebnis ist opulent und bildstark, aber auch drastisch, gespickt mit zahlreichen popkulturellen Verweisen - und einer Menge Kunstblut. Die Produktion sorgte bereits in München für Furore und war für einen Theaterpreis Faust nominiert. Das Gunilla Lind Danseteater erforscht in „Vanity Of Modern Panic – V.O.M.P.“ (5./6.12., 20.30 Uhr) die Abgründe der Schönheitsindustrie.

Lisa Lie und ihr Kollektiv Ponr reisen zum äußersten Rand der Welt

Das Thema Feminismus verbindet sich in mehreren Arbeiten mit dem Komplex des Postkolonialismus. So untersucht die in Paris arbeitende Künstlerin Rébecca Chaillon in „Carte Noire Nommée Désir“ (7./8.12., 19 Uhr) mit einem Rassismus-Kommentar schwarze Körper und Sinnlichkeit. Ein ähnliches Thema treibt die in Finnland lebende Choreografin Sonya Lindfors in „Cosmic Latte“ (13./14.12., 19 Uhr) um. In der Performance widmet sie sich afrofuturistischen­ Denkmodellen und ihren Utopien einer Welt, in der Kategorien von „Schwarz“ und „Weiß“ keine gegensätzlichen Pole mehr bilden.

Die norwegische Theatermacherin Lisa Lie und ihr Kollektiv Ponr werden für ihre bildstarken Arbeiten gefeiert. 2015 erhielt Lisa Lie dafür den wichtigsten norwegischen Theaterpreis. In „I Cloni“ (13.12., 21 Uhr, 14.12., 19.30) Uhr) begibt sich das Kollektiv auf eine Reise zu einem Gasthaus am äußersten Rand der Welt. Der Mix aus Theater, Performance, Popkultur und Übernatürlichem verspricht absurd wie humorvoll zu werden.

Weitere begleitende Lesungen, Ausstellungen, Konzerte und Workshops reflektieren das Festival-Thema. So wird Madame Nielsen ihren spielerischen Umgang mit Geschlechterrollen und –zuschreibungen in einer Lesung ihres Romans „Der endlose Sommer“ (11.12., 19.30 Uhr) vorführen. Und die Choreografin Halla Ólafsdóttir verbindet sich mit der Schwedin Amanda Apetrea zu einer mythisch – und pornografisch – aufgeladenen Tanz-Performance mit dem Titel „Dead By Beauty And The Beast“ (14.12., 20.30 Uhr). Sonya Lindfors wiederum tut sich mit der Hamburger Regisseurin und Kuratorin Mable Preach zusammen, um in einer offenen Diskussion Aspekte von „Decolonial Dreaming“ (7.12., 18 Uhr) zu entschlüsseln.

Nordwind-Festival: „Exploring Blankness“ Do 5.12.–Sa 14.12., Kampnagel (Bus 17, 172, 173), Jarrestraße 20–24, Karten 12,- bis 40,-: T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de