Das Album steht wie kaum ein anderes für ihre Stimmgewalt. Zwischen klapprigen Kirchenbänken und Jesus-Plakaten zeichnete Aretha Franklin 1972 mit „Amazing Grace“ mal eben ein Stück Musikgeschichte auf. Die Rückkehr der Queen of Soul zu ihren musikalischen Wurzeln sollte ein Film dokumentieren.

Doch erst blockierten technische Probleme das Projekt über Jahrzehnte, dann wollte die Sängerin bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr nicht mehr so recht mitspielen. Nun kommt „Aretha Franklin: Amazing ­Grace“­ als bewegende Musik-Dokumentation in die Kinos.

Bei den Aufnahmen in der ziemlich abgerockten New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles war auch ein Filmteam dabei. Regisseur Sydney Pollack („Jenseits von Afrika“) wollte die Arbeit der bereits weltweit gefeierten Sängerin dokumentieren. Franklin („Respect“, „Spanish Harlem“) war ins von Schwarzen dominierten South-L.A. gekommen. Sie wollte dort ein Album machen mit jener Musik, die sie noch aus ihrer Jugend kannte und zu Beginn ihrer musikalischen Karriere gesungen hatte. Die Rückbesinnung auf Gospel-Anfänge kam zu einem Zeitpunkt, als die damals 30-Jährige bereits irgendwo zwischen Star und Kult gefeiert wurde. Mehr als 20 Alben hatte sie schon eingespielt, Grammys angesammelt und die Spitzenposition in den Charts zu einer Art Stammplatz gemacht.

Pollack und seinem Team gelang es, die emotional intensive und für alle Beteiligten sichtlich aufwühlende Stimmung des über zwei Abende gehenden Gospel-Konzerts einzufangen. Die Aufnahmen kommen der von Liedern mitgenommenen Franklin sehr nah. Der Film dokumentiert eindringlich die Anstrengungen für die Musiker, die lebhaften Reaktionen des Southern California Community Choir, die Schweißperlen Franklins, die stützende Hand der Gospellegende Reverend James Cleveland im Rücken der Sängerin und notwendige Atempausen zwischen Songs wie „Climbing Higher Mountains“, „Give Yourself to Jesus“ oder „Precious Memories“. Der Rausch eines Gospel-Konzerts manifestiert sich im ekstatischen Anfall einer Zuhörerin.

Schwenks der Kamera ins Publikum haben auch eine Überraschung parat: Eine verwackelte Aufnahme quer durch die Kirche zeigt in der letzten Reihe einen tanzenden Mick Jagger.

Für Produzent Boyd und Regisseur Pollack gab es allerdings ein böses Erwachen in Form von nachhaltigen Schwierigkeiten mit den Tonspuren. Mit den damaligen technischen Mitteln ließ sich das nicht lösen. Das Material verschwand über Jahrzehnte in Pollacks Archiven. Noch vor seinem Tod 2008 überließ er es dem Komponisten Alan Elliott, der das Projekt als Regisseur nun mit modernerer Technik realisieren konnte. Für Elliott ergab sich ein anderes Hindernis: Franklin beachtete das Filmprojekt bis zu ihrem Tod kaum und sprach nicht über den Film. Die Gründe nahm sie 2018 mit ins Grab.

„Aretha Franklin: Amazing Grace“ USA 2018, 89 Min., o. A., R: Alan Elliott, D: Aretha Franklin, James Cleveland; im Abaton, Koralle, Passage, Studio, Zeise; www.weltkino.de