Und ewig dröhnt das Nebelhorn. Es gibt viele nebeltrübe Bilder in diesem trüb-düsteren Film. Aber das Horn dröhnt auch in den seltenen Momenten, wo das Wetter mal aufklart, als Warnsignal, dass bald etwas Schreckliches passieren wird. „Der Leuchtturm“ von Robert Eggers ist ein Horrorfilm ohne genreüblichen Horror. Es braucht nur eine abgelegene, menschenwidrige Kulisse und zwei Individuen, die sich darin verlieren, um das Unterste, Hässlichste in ihnen zum Vorschein zu bringen. Nicht zufällig spielt das Ganze in Maine, jenem Zipfel in Neuengland, in dem auch Stephen King seine Horrorromane verortet.

Zwei Männer ganz allein auf einer entlegenen Insel„Der Leuchtturm“ spielt in den 1890er-Jahren, auf einer einsamen, von Wogen, Wind und Wetter stark umtosten Insel. Hierhin verschlägt es zwei Eigenbrötler. Hier der junge Ephraim Winslow, ein Holzfäller aus Kanada, der dort für vier Wochen seinen Dienst verrichten soll. Und da der alte Seebär Thomas Wake, der den Neuen mit Argwohn begrüßt. Schon mit seinem schamlos zur Schau getragenen Furzen und Rotzen erzeugt der Alte Ekel beim Jüngeren. Es ist aber kein Entkommen, es gibt keine Privatsphäre, selbst die schmale Bettkammer müssen sie teilen. Und dann reklamiert Wake, gegen alle Regularien, die einen Dienstwechsel zwingend vorsehen, die Spitze des Leuchtturms für sich allein, während er Winslow Sklavendienste verrichten lässt. Klar, dass sich die Männer in die Wolle und auch in die Haare kriegen.

Ein klassisches, archaisches Männerduell um Macht, Kraft und Durchsetzungswillen. Und das vor einem Leuchtturm als typischem Phallussymbol. Dass beide Kerle eine düstere Vergangenheit haben, wird schnell klar, auch wenn sie darüber schweigen. Die Männer aber können sich in der Einöde zwar vor der Gesellschaft, nicht jedoch vor sich selbst verstecken. Ist ja nur für vier Wochen, könnte man sich trösten. Aber dann schneidet ein Sturm die Insel für Wochen, wenn nicht Monate vom Festland ab. Die beiden sind sich in der absoluten Abgeschiedenheit völlig ausgeliefert. Und drohen beide dem Wahnsinn zu verfallen.

Regisseur Robert Eggers hat den „Leuchtturm“ mit einer ganz eigenwilligen Handschrift umgesetzt. Das beginnt mit dem 1,19:1-Bildformat, wie man es aus der Stummfilmzeit kannte. Das setzt sich fort mit der Schwarz-Weiß-Fotografie des Kameramannes Jarin Blaschke, bei denen man nicht weiß, wo der Dreck aufhört und das Blut beginnt. Abgerundet wird diese ureigene Ästhetik mit einem verstörenden Soundtrack, einem Amalgam aus Kettenrasseln, Windheulen, Möwengeschrei und Nebelhorn. Und Eggers ließ die Stars Willem Dafoe und Robert Pattinson, die mit wettergegerbten Gesichtern kaum zu erkennen sind, aufeinander los. Dafoe ist eines der kantigsten Charaktergesichter des US-Independent-Kinos. Pattinson darf beweisen, dass er nicht nur der Teenieschwarm aus den „Twilight“-Filmen ist. Die Pattinson-Hasser werden kleinlaut verstummen müssen.

„Der Leuchtturm“ USA/BRA 2019, 109 Min., ab 16 J., R: Robert Eggers, D: Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman, tägl. im Abaton, Savoy, Studio, Zeise; www.upig.de