Zu Beginn von Hans Petter Molands „Pferde stehlen“ stehen sich nachts im norwegischen Nirgendwo zwei Fremde im Schnee gegenüber, beide alt, müde und tendenziell feindselig. Jetzt, denkt man, passiert was! Doch dann erzählt der eine dem anderen nur eine traurige Geschichte aus der Kindheit. Das dauert. Aber in der Art, wie der andere zuhört, schwingt bald die Vermutung mit, dass die beiden sich kennen und eine alte Schuld sie verbindet.

Wie man bald erfährt (oder schon von Per Pettersons Romanvorlage weiß), hat sich der knorrige Trond (Stellan Skarsgård) nach dem Unfalltod seiner Frau in die Gegend seiner Kindheit zurückgezogen. Kein Wunder, dass die Geister der Vergangenheit sich bald um ihn herum türmen wie die Schneemassen. Oder dass sie ihm zwielichtige Gesellschaft leisten, wie Nachbar Lars (Bjørn Floberg).

Im Takt von Äxten, mit der Wucht trampelnder Pferdehufe und in stetem Rhythmus von Angst und Begehren baut Regisseur Moland prachtvolle Bilder einer übermächtigen Natur. Sie überwölbt alles: die Rückblenden in den letzten Sommer einer zu Ende gehenden Kindheit und die frostige Gegenwart des Jahres 1999. Die zentrale Erkenntnis: „Wir entscheiden selbst, wann es wehtut“, in den Brennnesseln wie in der Liebe. Das ist alles sehr atmosphärisch in seiner skandinavischen Düsternis. Aber letztlich bleibt der Eindruck von viel Aufwand um ein paar Kalenderweisheiten.

„Pferde stehlen – Ut og stjæle hester“ N/S/DK 2019, 122 Min., ab 12 J., R: Hans Petter Moland, D: Stellan Skarsgård, Bjørn Floberg, Tobias Santelmann, Danica Curcic, im Koralle, Passage, Schanzenkino 73; mfa-film.de/kino/id/pferde-stehlen