Es sah schon etwas komisch aus, was Ian Anderson auf der Bühne anstellte. Mit einem Bein über das andere gekreuzt, stand der Musiker auf der Bühne und blies seinem Publikum die Flötentöne. Jethro Tull nannte sich die Combo nach einem berühmten englischen Landwirt und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, die Ende der 60er-Jahre in Großbritannien und in Europa für Furore sorgte.

„Wie eine elektrisch verstärkte Heilsarmee-Kapelle“ ätzte der „Rolling Stone“ über den Stil der Band, die mit einer Mischung aus Rockmusik, Jazz, Burleske und Comedy in der Szene aufgetaucht war. „Living In The Past“ hieß ein Song von Jethro Tull und entsprechend tauchten die Musiker auf dem Cover ihres Debütalbums „This Was“ auf. Anderson und seine Mitstreiter waren wie uralte Männer gekleidet, und auch das spätere Erfolgsalbum „Aqualung“ ziert einen in Lumpen gekleideten betagten Landstreicher.

Bis Ende der 70er-Jahre war Jethro Tull extrem erfolgreich, jedes Album wurde mit Gold oder Platin ausgezeichnet. Doch dann baute Ian Anderson die Band um und auch der Stil der Band mit dem Mix aus harten Rocksongs und verspielter schottischer Folklore hatte sich im Laufe der Zeit etwas abgenutzt. Allerdings war Jethro Tull nie weg – auch wenn der Bandleader später unter seinem Namen auf Tournee ging. Die Songs des Repertoires bestanden zum Großteil aus Tull-Songs. Ein wichtiger künstlerischer Einschnitt war der Weggang von Gitarrist Martin Barre, der seit Jethro Tulls zweitem Album „Stand Up“ der treueste Weggefährte von Anderson war. Er ist jetzt mit eigener Band unterwegs und hat vor ein paar Tagen im Downtown Bluesclub gespielt.

Ian Anderson dagegen füllt statt kleiner Clubs immer noch große Hallen. Wenn er am 20. Juni nach Hamburg kommt, wird er in der Barclaycard Arena spielen. Mit neuer Besetzung und Musikern, die zum Teil nur halb so alt sind wie der 72 Jahre alte Multiinstrumentalist. Als Gitarristen hat er einen deutschen Musiker dabei: Florian Opahle stammt aus Rosenheim und arbeitet bereits mit Anderson, seit er 20 Jahre alt ist. Allerdings wird die laufende Tournee seine letzte mit Jethro Tull sein. Der 36 Jahre alte Gitarrist hat geheiratet und will in Zukunft in seiner bayrischen Heimatstadt als Produzent arbeiten.

„Ian Anderson presents Jethro Tull“ wird das Wiederhören vieler Songs bedeuten, die den Ruhm von Jethro Tull als wichtige Progressive- bzw. Classic-Rock-Band begründet haben. „A Song For Jeffrey“, „Aqualung“, „Dharma For One“, „Locomotive Breath“ und „Thick As A Brick“ finden sich auf der Setliste. Und auch Johann Sebastian Bach wird erklingen. Auf „Stand Up“ interpretierte Anderson das „Bourrée“, das auf Bachs Suite für Laute in e-moll, BMV 966, beruht, und erweiterte es um eine jazzige Interpretation im Mittelteil. Das Flötenspiel auf einem Bein beherrscht Ian Anderson übrigens immer noch – auch im Seniorenalter.

Ian Anderson presents Jethro Tull Mi 20.11., 20.00, Barclaycard Arena (S Stellingen + Bus 380), Sylvesterallee 10, Karten ab 73,- im Vorverkauf; www.jethrotull.com