Auf dem Anwesen von Downton Abbey herrscht die größte denkbare Aufregung. Es ist das Jahr 1927, und gerade ist ein Brief aus dem Buckingham Palace eingegangen. Als Zuschauer hat man seinen Weg aus London zum ehrwürdigen Familiensitz verfolgt, auf dem ihn Diener Andy Parker (Michael Fox) in Empfang nimmt, ihn sogleich an den Butler Thomas Barrow (Robert James-Collier) übergibt, der ihn wiederum dem Earl of Grantham, Robert Crawley (Hugh Bonneville), überreicht. Was die gleichnamige, in sechs Staffeln ausgestrahlte Fernsehserie auch so faszierend machte, etabliert ­dieser Film schon in seinen ersten drei Minuten. Es ist die Macht des Protokolls, das bis in die kleinsten Details ­regulierte Prozedere gesellschaftlicher Kommunikation, gegen das zu verstoßen sofortigen sozialen Ausschluss zur Folge haben kann.

Und das in einem so heterogen zusammengesetzten Universum wie diesem! Da gibt es das Dienstpersonal, das seine Plätze in der internen Hierarchie nach der Nähe zu den feinen Herrschaften des Hauses definiert. Doch natürlich kennt auch die Familie ein Oben und ein Unten. Und auf dieses fragile System wird nun ein weiteres gestülpt, und zwar in Gestalt der königlichen Besucher.

King George V. (Simon Jones) und Queen Mary (Geraldine James), so erfahren wir, werden auf einer Reise durchs Land auch in Downton Abbey Station machen. Das für sich wäre ja schon aufregend genug, aber es kommen noch familiäre Verwicklungen hinzu. Die Hofdame der Königin, Lady Maud Bag­shaw (Imelda Staunton), ist eine Cousine des Earl of Grantham und mit dessen Mutter Violet Crawley (Maggie Smith) in innigem Misstrauen verbunden – entsprechend missmutig reagiert Violet auf die Nachricht des bevorstehenden Besuchs.

Doch da kommt auch schon das königliche Personal und sorgt mit ver­snobtem Auftreten für reichlich schlechte Stimmung im Haus. Die Bediensteten sollen sich am besten im Hintergrund halten. Und kochen sollen sie auf gar keinen Fall! Dafür ist schließlich Monsieur Courbet (Phi­lippe Spall) zuständig, der das auch im Buckingham Palace so herausragend macht. Es verwundert nicht, dass sich die Hausangestellten von Downton Abbey mit einer derart hochnäsigen Behandlung nicht abfinden wollen und schnell eigene Pläne schmieden.

Es gibt noch weitere Handlungsstränge. Da ist der finstere Attentäter, der es auf das Leben des Königs abge­sehen hat. Und da sind Thomas Barrow und Chris Webster (Perry Fitzpatrick), die einen hauptsächlich von miteinander tanzenden Männern bevölkerten Nachtclub besuchen und prompt dabei von der Polizei erwischt werden.

Der liebevollen und sicher sündhaft teuren Ausstattung des Films entspricht eine ebenso opulente Vielfalt an Geschichten. „In einer durchschnittlichen Serienepisode erzählt man normaler­weise die Geschichten von vier oder fünf Charakteren“, hat Drehbuchautor Julian Fellowes im Interview gesagt. In einem Film müsse dagegen jeder Charakter ­auch seine Geschichte erhalten.

Diesen vielen Fäden zu folgen macht das komplexe Vergnügen aus, das man an diesem Film haben kann – außer der großen Freude an Kostümen und Raumausstattungen und an den feinen Unterschieden, die sich in Kleidung, Gestus und Sprache manifestieren. Und natürlich an den Schauspielern: Gut 20 bereits aus der Serie bekannte Charaktere sind auch bei dieser Verfilmung (Regie: Michael Engler) wieder mit dabei, allen voran Maggie Smith als verwitwete Altgräfin Violet Crawley, inzwischen 84 Jahre alt und immer noch hinreißend dazu fähig, mit minimaler Gestik maximale Verachtung auszudrücken.

Es ist eine recht alte Zeit, die sich hier dokumentiert, das gibt dem Film die melancholische Grundierung. Dass er sich bei all den Veränderungsdramen nicht immer ernst nimmt, macht seinen Charme aus: In einer unvergesslichen Szene spricht ein Diener beim Festbankett die königlichen Hoheiten an, ohne gefragt worden zu sein. Das ist natürlich ein grober Fauxpas, und das darauffolgende Schweigen der Tischgesellschaft ist derart dröhnend und dauert so sadistisch lange, dass das Kino zu lachen beginnt.

„Downton Abbey“ GB 2019, 123 Min., o. A., R: Michael Engler, D: Maggie Smith, Hugh Bonneville, Imelda Staunton, tägl. im Abaton (OmU), Astor, Cinemaxx Dammtor, Elbe, Holi, Koralle, Passage, UCIs Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek; upig.de/micro/downton-abbey