Das Stück ist ein Klassiker: Vor 30 Jahren lief „En Mann mit Charakter“ zuletzt im Ohnsorg-Theater. Damals machte Christian Richard Bauer gerade seine ersten Schauspielschritte – im Kindergarten. Später spielte er an der Volksspielbühne Rissen erste Stücke auf Platt und besuchte mit seinem Opa das alte Ohnsorg.

Jetzt sitzt im neuen Konferenzraum des 2011 eröffneten Ohnsorg-Neubaus am Heidi-Kabel-Platz ein schmucker junger Mann: knapp 1,90 Meter groß, athletisch, aber schlank, blonde Tolle, blaue Augen, schwarzes T-Shirt und Jeans. Noch im alten Haus habe er sein Ohnsorg-Debüt gegeben, erinnert sich der Schauspieler. In der Rolle des Jan Facklamm – „der klassische jugendliche Liebhaber“, sagt Bauer lächelnd. „Ich weiß gar nicht, wie oft ich solch eine Figur schon gespielt habe“, sinniert er. Es sei „Segen und Fluch“.

Den idealen Schwiegersohn gibt Bauer auch in „En Mann mit Charakter“. Wenn Wilfried Wroosts Stück am 25. August die neue Ohnsorg-Saison eröffnet, ist es die fünfte Neuinszenierung seit der Uraufführung vor fast 65 Jahren. Walter Scherau und Werner Riepel füllten einst die Titelrolle des Heinrich Hintzpeter aus, stets spielte die unvergessene Heidi Kabel dessen Mutter Dora. Als Heinrichs Bühnentochter wirkte zweimal deren Tochter Heidi Mahler mit. In ihrem 76. Lebensjahr spielt sie nun selbst neben Till Huster (Heinrich) die Rolle der Oma.

Bereits zum fünften Mal steht er mit Heidi Mahler auf der Bühne, rechnet Bauer nach. „Detlef Düvel“ heißt seine Figur, ein Betriebsprüfer vom Finanzamt, für den des Bäckermeisters Tochter Gisela Feuer gefangen hat. Doch der Vater hat die Tochter einem Bäckergesellen versprochen. Versprochen? Ursprünglich ist „En Mann mit Charakter“ in den 50ern angesiedelt, Regisseur Michael Koch, auch Mahlers Ehemann, habe es jedoch in die 70er-Jahre verlegt, erzählt Bauer.

„Dadurch ergeben sich auch für die jüngeren Rollen neue Möglichkeiten“, sagt er. Indes: „Ich muss die Figur so spielen, wie sie dramaturgisch angelegt ist.“

Dass Bauer, der im September 35. Geburtstag feiert, auch anders komisch kann, hat er nicht nur im Ohnsorg gezeigt: Sein Gesangstalent wies der Bariton als smarter Cornelius Hackel im Musical-Hit „Hallo Dolly!“ bei Frank Thannhäuser nach. Unter dem Regisseur (und Intendanten) hatte sich der freiberufliche Schauspieler bereits 2016 einen Abstecher ans Imperial geleistet. Im komischen Krimi „Der Rächer“ – angesiedelt im Film-Milieu – gab Bauer einen Schauspieler, der immer den Liebhaber spielen muss. Alles mit feiner Selbstironie. Und im Sherlock-Holmes-Krimi „Der Fluch des Pharao“ ermittelte seine Inspektor-Figur als dandyhafte Knallcharge.

Im Imperial wird er von März 2020 an erneut in einem Krimi spielen, in „Die Tür mit den sieben Schlössern“. Ohnsorg-Freunde können ihn von Februar an in einem weiteren Klassiker erleben. In der Wiederaufnahme von „Tratsch op de Trepp“ gibt Bauer – den Schwiegersohn.

„Hier am Haus bin ich inzwischen fast ein Exot“, scherzt der gebürtige Hamburger. „Ein Exot in der Heimat.“ Denn die meisten seiner Kollegen haben erst am Ohnsorg Platt gelernt. Bauer selbst vermittelt seine Sprachkenntnisse regelmäßig auch an Jüngere, etwa an die fünf Jungen, die 2018 in der Plattfassung des Romans „Der Mann im Strom“ von Lenz alternierend den Sohn des Hafentauchers gegeben hatten. Da war Bauer in mehreren Nebenrollen mal nicht der Beau – und schwamm sich auch so frei.

„En Mann mit Charakter“ Voraufführung So 25.8., 16 Uhr, Premiere 19.30 Uhr (ausverkauft), dann Di 27.8. bis 5.10., jeweils 19.30 Uhr, Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 28 bis 35,84 Euro unter T. 35 08 03 21