Ob man’s glaubt oder nicht: Auf dem Spielbudenplatz kann durchaus weinselige Atmosphäre herrschen. Fast wie in Italien oder Frankreich. Wenn die tief stehende Sommersonne die Weine in ihren dickbauchigen Gläsern wie Rubine und Beryll strahlen lässt und nicht gerade ein dröhnendes Motorrad über die Reeperbahn brettert. Besucher sitzen dann an langen Tischen, reden, lachen, trinken und genießen den ausklingenden Abend. Von oben und von den Seiten blinken die Lichter des Kiezes, auch Partygeräusche der Bars und Clubs schallen herüber.

Beim „St. Pauli Winzerfest“ stellen Winzer aus den wichtigsten deutschen Anbaugebieten zum neunten Mal ihre besten Weine vor. Vom 22. bis 25. August wird der zwei Hektar große Spielbudenplatz erneut zum Freiluftlokal mit kulinarischen Spezialitäten, die bei warmem Wetter mehr als einen Hauch von Provence oder Toskana verbreiten. Ein Prosit auf den Norden im Herzen von St. Pauli.

Die Winzer kommen aus Rheinhessen, aus Baden-Württemberg und aus der Region Nahe in der Pfalz an. Darunter sind Familienbetriebe wie die Weinkellerei Koelle, deren Weinbautradition ihren Ursprung im Jahr 1907 hat. Eine Rarität ist der Quitten-Sekt, für den ausschließlich heimische Quitten verwendet werden.

Das Weingut Messer-Krämer, mit 62 Jahren Existenz relativ jung, kreiert harmonische, spritzige Weine voller Eleganz und hat sich mit den Rebsorten Dornfelder, Spätburgunder, Riesling, Chardonnay, Grauer und Weißer Burgunder europaweit einen Namen gemacht. Und das badische Weinhaus Michael führt mehr als 2000 verschiedene Weine, Sekte und Edelbrände, die in den Kellereien von mehr als 30 führenden süddeutschen Weinerzeugern hergestellt werden.

Das warme Wetter und die unterschiedlichen Böden im Süden Deutschlands lassen schmelzige Grauburgunder, fruchtige Müller-Thurgau und mineralisch elegante Rieslinge gedeihen. Bekannt sind die Winzer der Region auch für kräftige Rotweine wie Spätburgunder, die weltweit zu den besten ihrer Art zählen.

Aber das Winzerfest wäre nicht ein Teil St. Paulis, wenn es nicht auch für Toleranz und Vielfalt stünde. 2016 etwa reiste Sven Finke aus dem Mosel-Örtchen Kesten als Deutschlands erster schwuler Weinkönig an und wurde hier – als ein Zeichen der Gleichberechtigung – zum ersten „Kiez-Weinkönig“ gekürt. Die Hamburger Dragqueen Olivia Jones empfing ihn. Jones ist ohnehin St. Paulis Weinkönigin auf Lebenszeit.

Weil zu jedem guten Wein auch gutes Essen gehört, wird der Genuss des Weines erneut von Flammkuchen, gegrillten Köstlichkeiten, Scampi, Burgern, Backwaren und Crêpes begleitet. Ergänzt am Donnerstag, 22.8., von der wöchentlichen „Street Food Session“, zu der wie stets 20 Food-Trucks und -Trailer anrollen.

Lauter wird es gewiss am Sonnabend, 24.8.. Angekündigt zum Winzerfest ist dann Oded Kafri. Der international trommelende Straßen-Schlagzeuger aus Israel und Teilzeit-Hamburger hat mit „Hamburgs Mr. Percussion“ Christian von Richthofen bei Spontankonzerten wie auf dem Jungfernstieg oder vor dem Hauptbahnhof schon gezeigt, dass er Menschen wahlweise zum Verweilen oder zum Mittanzen bringen kann. Im Projekt „Drum The World“ ist Kafri mit von Richthofen und Kollegen aus anderen Kulturen dank Konzerten im Knust Kiez-erprobt.

Auf dem Spielbudenplatz sorgen außerdem The Age Of Aquarius (22.8.), Olli, Gerd & Rolli (23.8.) und das VioPia Duo (25.8.) für Livemusik. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen beim „St. Pauli Winzerfest“. Glühwein mit Schuss gibt es auf dem Platz schließlich früh genug – ab Mitte November bei „Santa Pauli“, Hamburgs „geilstem Weihnachtsmarkt“.

„St. Pauli Winzerfest“ 22. bis 25.8., Do 16 bis 24 Uhr, Fr 16 bis 2 Uhr, Sa 13 bis 2 Uhr, So 13 bis 21 Uhr, Spielbudenplatz (U St. Pauli, S Reeperbahn), Eintritt frei