In einem der schönsten Berlin-Filme überhaupt, Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“, hat Bruno Ganz den Engel Damiel gespielt. Was für ein großartiges Bild war das: ganz auf der Spitze der Gedächtniskirche, und welcher Trost. Ein Engel, der über die Menschen wachte, der ihnen zuhörte und sich, wenn sie das brauchten, auch mal anlehnte. Auch wenn sie das nie sahen, gespürt haben sie es.

Nun ist wieder ein Engel Damiel in der Stadt. Wieder mit leicht zerrupften Federschwingen auf dem Rücken. Aber es ist kein echter Engel. Nur ein Straßen- und Lebenskünstler, der damit ein bisschen Geld verdient. Robert Stadlober spielt diese verjüngte Version.

Er hat vor allem die Aufgabe, in dem Episodenfilm „Berlin, I Love You“ die zehn Episoden von Regisseuren wie Peter Chelsom, Dianna Agron, Til Schweiger, Dennis Gansel und Dani Levy zusammenzuhalten. Und klar, eine Reminiszenz, eine Hommage an „Der Himmel über Berlin“ soll das schon auch sein.

„Berlin, I Love You“ ist der fünfte Film der „Cities of Love“-Reihe, die der französische Produzent Emmanuel Benbihy 2006 mit „Paris, je t’aime“ begann. Es folgten Filme über New York, Tiflis und Rio. Ein weiterer über Shanghai ist in der Mache. Sie alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip: Ein paar namhafte, aber auch unbekanntere Filmemacher aus allen Herren Länder drehen mit ein paar internationalen Stars, aber auch heimischen Schauspielern einen persönlichen Kurzfilm über die jeweilige Metropole. Die werden dann zu einem sogenannten Kompilationsfilm zusammengefasst und auf dem Plakat mit Herzchen versehen.

Außer dem Erstling „Paris, je t’aime“ hat eigentlich keines dieser Werke wirklich von sich reden gemacht. Dass Berlin jetzt unter den auserwählten Metropolen ist, sogar noch vor angesagten Städten wie London, Wien oder Tokio, müsste einen eigentlich erfreuen.

Nach dem mehrmals verschobenen Kinostart glaube man, der Film würde im Februar auf der Berlinale laufen. Am Ende ist „Berlin, I Love You“ auch ohne den auf Druck Chinas herausgeschnittenen Video-Skype des Künstlers Ai Weiwei – er hatte 2015 als Erster eine Episode gedreht – nicht auf dem Festival gelaufen. Eine Berlin-Premiere mit den Stars des Films, wurde ebenfalls abgeblasen.

Es gibt bessere und schlechtere Beiträge wie in allen Episodenfilmen. Wir sehen Keira Knightley Flüchtlinge im Tempelhofer Feld betreuen. Als sie ein Flüchtlingskind zu ihrer Mutter (Helen Mirren) nach Hause mitbringt, ist die konsterniert – bis sie Muttergefühle entwickelt. Wir sehen auch Hannelore Elsner in einer ihrer letzten Rollen als Bordellbesitzerin, in deren Etablissement ein Mann vor der Polizei versteckt wird. Und wir sehen Veronica Ferres als Ladenbesitzerin.

Den Tiefpunkt macht Til Schweigers Beitrag aus, in dem Mickey Rourke in einer Bar eine junge Frau (Mode-Model Toni Garrn) anbaggert, die seine Tochter sein könnte. Und sich am Ende natürlich als genau diese entpuppt. Der fertige Beitrag ist auf jeden Fall der chauvinistischste, den man in Zeiten der #MeToo-Debatte so nicht mehr erwarten würde.

Bis auf die Episode mit Knightley und Mirren ist keine politisch. Die Kurzfilme handeln allesamt von einsamen Herzen und verlorenen Seelen. Die immerzu von irgendwelchen Straßenmusikern aufgeheitert werden. Alles Party also. Und immer trifft ein Männlein auf ein Weiblein. Zumindest einmal auch auf ein Zwischenwesen. Die meisten Episoden hätten auch in beliebig anderen Städten spielen können. Schade eigentlich. Das kann auch kein Möchtegern-Engel kitten.

„Berlin, I Love You“ D 2019, 120 Min, o. A., R: Dennis Gansel, Dani Levy, Peter Chelsom u. a., D: Helen Mirren, Keira Knightley, Mickey Rourke, Luke Wilson, Robert Stadlober, Hannelore Elsner, täglich im Koralle; berlin-i-love-you.de