Denys Arcands „Der unverhoffte Charme des Geldes“ ist eine Krimikomödie mit Systemkritik.

Wer träumt nicht davon, einen Sack Geld sein Eigen nennen zu dürfen! Aber was würde man damit tun? Genau das passiert in dem Film „Der unverhoffte Charme des Geldes“ einem jungen Mann, Pierre-Paul (Alexandre Landry), der eigentlich Philosophie studiert hat, sich nun aber als einfacher Kurierfahrer verdingen muss.

In einem langen, großartigen Einstiegsmonolog – der an sich schon ein kleines Kabinettstückchen ist – hat sich dieser Pierre-Paul gerade regelrecht in Rage geredet über die Ungerechtigkeit der Welt, in der die Dummen zu Präsidenten gewählt werden, die Gerechten aber nicht belohnt werden. Dann jedoch gerät er mit seinem Kurierwagen in einen Überfall, nach dem plötzlich zwei Tote, ein Räuber und ein Sicherheitsmann, vor seinen Füßen liegen. Und zwei Taschen Geld. Kurz zaudert Pierre-Paul, der eigentlich eine grundehrliche Haut ist, dann nimmt er die Taschen an sich.

„Der unverhoffte Charme des Geldes“ ist keine Krimikomödie im klassischen Sinn. Regisseur Denys Arcand ignoriert einfach alle Spannungsbögen und Erwartungshaltungen. Er stattet seinen Film stattdessen mit jeder Menge Kapitalismuskritik und philosophischen Diskursen aus. Und schafft damit die Quadratur des Kreises: den Zuschauer damit nicht etwa abzuschrecken. Seine Auslassungen sind vielmehr so amüsant, dass sie den eigentlichen Kern, den unverhofften Charme des Films, ausmachen.

Verfolgt von Clan, Polizei und Finanzamt

Pierre-Paul ist ein klassischer Antiheld. Einer, der sein Leben nicht auf die Reihe bringt und dem doch alle Sympathien sicher sind. Einer, der moralischen Prinzipien folgt und immer einen philosophischen Leitspruch auf Lager hat. Mit dem Geld, das eigentlich einem Mafia-Clan gehört, könnte man viel Gutes tun. Aber der Coup ist eindeutig eine Nummer zu groß für ihn. Pierre-Paul wendet sich an Bigras „The Brain“ (Rémy Girard), einen Geldwäscher, der, gerade aus dem Knast entlassen, ihm als Geldberater zur Seite stehen soll. Der schlägt vor, das Geld erst mal in einem Depot zu lagern. Als Pierre-Paul wieder dorthin kommt, ist das Geld weg. Klar, denkt man, „The Brain“ hat es geklaut. Aber eben nicht: Er hat es an einen noch sichereren Ort gebracht.

Dann bestellt sich Pierre-Paul die edelste Prostituierte der Stadt (Maripier Morin). Vor allem, weil sie Aspasia heißt, wie die Frau, die im antiken Milet einen philosophischen Salon gegründet hat. Die Escort-Lady sieht, wie ihr Freier das Geld aus der Kommode holt. Aber auch sie erleichtert ihn nicht darum, die käufliche Dame scheint tatsächlich etwas für den Unbeholfenen zu empfinden. Dann macht sie ihn sogar mit einem ihrer früheren Kunden, den Offshore-Banker Pete LaBauve (Pierre Curzi), bekannt.

So beginnt ein Crashkurs in Ökonomie, Finanzwesen und Geldwäsche. Und das, während alle hinter ihnen her sind: der Clan, der um sein Geld betrogen wurde. Die Polizei, die den Fall bearbeitet. Und – das Finanzamt. Denys Arcand, der Altmeister des frankokanadischen Kinos, wurde berühmt mit „Der Untergang des amerikanischen Imperiums“, „Jésus von Montréal“ und der Oscar-prämierten „Invasion der Barbaren“, in denen er ganz mühelos große Gesellschaftskritik in launisch-lakonische Komödien gießt, ohne je belehrend zu wirken.

Ein kriminelles Finanzsystem

In der ihm eigenen Art macht er den Zuschauer vielmehr zum Komplizen. „Der unverhoffte Charme“ knüpft mühelos an diese Vorgänger an. Besonders an den „Untergang des amerikanischen Imperiums“ – weil der jüngste Film des mittlerweile 78-Jährigen im Original „Der Fall des amerikanischen Imperiums“ heißt. Um Amerika geht es dabei zwar nicht, sehr wohl aber um Kapitalismus und ein kriminelles Finanzsystem, ein Bazillus, der die ganze Welt befallen hat. In feinen Pointen kriegt hier jeder sein Fett weg, Donald Trump wie das IOC, die Schweizer Banken wie eine verlogene Gesellschaft, in der man Finanzskandale locker übersteht und nur über Sexskandale stürzt.

Zugleich richtet Arcand sein Augenmerk auf die Verlierer: auf all die Obdachlosen, die auch in Kanada immer zahlreicher werden. Dafür hat Arcand auch mit echten Obdachlosen gedreht. Sie sind immer wieder im Film zu sehen. Und der endet mit Großaufnahmen von ihnen. Ihnen, bei denen man sonst so gern wegschaut, gibt Arcand ein Gesicht. Und gibt ihnen ihre Würde zurück.

„Der unverhoffte Charme des Geldes“ CAN 2018, 129 Min., ab 12 J., R: Denys Arcand, D: Alexandre Landry, Maripier Morin, Rémy Girard, Louis Morissette, täglich im Abaton (OmU), Passage; www.mfa-film.de/kino/id/der-unverhoffte-charme-des-geldes